Man möchte ihn einfach knuddeln, dieser Teddybär! Der Schweissfleck auf seinem gelben Shirt ist nicht nur riesig, sondern durch den Holzstaub mittlerweile auch braun. Auf dem Kopf ein Cowboyhut an welchem mehr Sachen hängen als wie in einem Souvenirshop: Ein Foto von einem bunten Hund (wortwörtlich), ein «Welcome Team» Täfelchen, ein Chillfaktor-Button, zwei Hasenohren, Haarklammern welche diverse bunte Papierchen halten auf welchen Sachen in komischer Sprache geschrieben stehen und natürlich der obligatorische Sheriff-Stern. Sein knallrotes Haar hat mindestens eine Woche lang keine Dusche mehr gesehen und in seinem enormen Vollbart hausen wahrscheinlich mehr Tiere als wie im Amazonas. Sein Bierbauch verdeckt den Ledergürtel an welchem diverse Werkzeuge festgemacht sind fast komplett und irgendwo guckt noch eine Käseraffel raus. Wozu auch immer. Seine Erscheinung erinnert mich definitiv an ein im Geiste sehr jung gebliebenen Erwachsenen, welcher in seiner Kindheit bestimmt mehr Streiche auf Lager gehabt hatte als wie Kevin allein zu Hause. Doch das Kennzeichen an seinem alten GMC Wohnwagen erklärt alles mit wenigen Buchstaben: BURNER.
Wenn Ende August 68’000 Menschen aus aller Welt in die Wüste Nevada’s reisen, dann kann das nur eines bedeuten – Es ist Burning Man! Was 1986 als kleines Happening mit einem Dutzend Leute am Baker Strand in San Francisco begonnen hat, ist heute der wohl verrückteste Event der Welt. Weit weg von der Zivilisation, in einer Wüste ungefähr 80 Meilen von der nächsten Stadt Reno entfernt, treffen sich alljährlich die Träumer und Visionisten, die Freak’s und Andersdenkenden, die Kreativen und die Bastler um eine temporäre Stadt – Black Rock City – aus dem Wüstenboden zu erbauen und eine Woche gemeinsam das Leben zu feiern. Hier gibt es nichts was es nicht gibt. Flammenspuckende Fahrzeuge, Piratenschiffe auf Räder, gottlose Kirchen, Clubs welche wie aus dem Nichts erscheinen und ein paar Stunden später wieder verschwunden sind, nackte Menschen, noch mehr nackte Menschen, sinnlose Mutspiele bei welchen es genau nichts zu gewinnen gibt, hunderte Kunstinstallationen welche in der Nacht wundervoll beleuchtet sind und natürlich ganz viele neue Freundschaften. Was es nicht gibt ist Geld und die Ewigkeit – und genau das mag ich so an diesem Event. Denn alles im Leben ist vergänglich, und so werden in den letzten Tagen die meisten Kunstinstallationen abgebrannt. In der Mitte von allem thront der «Man» welcher am zweitletzten Abend in Flammen gesetzt wird. Dann versammeln sich alle «Burner» um den Mann um den Höhepunkt der wohl unglaublichsten Party zu feiern. Am allerletzten Abend wird dann der Tempel abgebrannt, welcher dieses Jahr die grösste Kunstinstallation darstellt. Die Bilder gehen jährlich um die Welt und sind in allen grossen Fernsehsendern zu sehen.
Das Leben spielt manchmal schon etwas verrückt mit uns, denn anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich nun in einem staubigen Hinterhof im Industrieviertel von Oakland stehe und Holzteile für den Tempel zusammenschraube. Das grösste Kunstobjekt am verrücktesten Event der Welt – und ich bin ein Teil davon… wie geil!
Eigentlich würde ich jetzt bereits im Sattel sitzen und in Richtung Yosemite-Valley fahren, welches östlich von San Francisco liegt und einen Teil der Sierra Nevada darstellt. Dahinter liegt auf fast 2000 Meter über Meer die Wüste, welche bald mein ständiger Begleiter sein wird. Denn wenn erst mal die Sierra Nevada überwunden ist, folge ich dieser bis nach Mexico und auch darüber hinaus. Etwas Gutes, denn ich liebe die Wüste zum Radfahren! Aber ich sitze nicht im Sattel und die Wüste ist noch weit weg. Denn am Tag vor der eigentlichen Abfahrt traf ich auf Scott, welcher zur Crew vom diesjährigen Tempel gehört. Eine grosse Überzeugungsarbeit hat es nicht mehr benötigt, und schon schmiss ich alle Pläne über den Haufen und zügelte mein Hab und Gut in das Industrieviertel von Oakland. Hier stehe ich nun mit Blaze, meinem Teddybär, und lache über unsere nicht vorhandene Fähigkeit zwei Holzbalken zusammenzuschrauben. Um uns herum liegen viele Holzbalken welche alle mehrere Kilos wiegen und zusammengesetzt die sogenannte «Cloud» ergeben sollten – eine Zwischendecke des Tempels auf welche dann ein Turm aufgesetzt wird. Wir schrauben allerdings nur Einzelteile zusammen um diese richtig beschriften zu können. Erst in der Wüste wird der ganze Tempel zusammengebaut, weswegen die meisten Arbeiter bereits bis zu drei Wochen vor Beginn des Event in die Wüste fahren. Ich werde allerdings nur die Vorarbeit hier in Oakland erledigen, da ich sonst die Fahrt mit dem Fahrrad in die Wüste verpassen würde.
In vergangenen Blogposts habe ich diesen Event bereits mehrfach angesprochen, weswegen es nun diesen Beitrag gibt, bevor es endgültig zurück «nach Hause» geht. Da Worte den Event einfach unmöglich beschreiben können, sind hier ein paar ausgesuchte Bilder und Videos.
Ich werde am 26. August von Reno aus losfahren und anschliessend bis mindestens 5. oder 6. September in Black Rock verweilen – also kein Internet oder Empfang. Den Weg raus in die Wüste könnt ihr aber natürlich trotzdem über den Findme-Spot verfolgen:
http://share.findmespot.com/shared/faces/viewspots.jsp?glId=0Gvq8q2PJ0GPgEJdV3M9KUaGL056LIbAM
Route:
Impressionen
Gelände
Bilder