Die Rückkehr nach Europa war nicht nur einfach und es war auch nicht alles so «Wow-ich-wusste-gar-nicht-mehr-wie-schön-hier-alles-ist!», sondern ein paar Sachen waren einfach nur nervig – und je länger ich darüber nachdenke, umso länger wird die Liste.
Also, wer heute einen Aufsteller lesen möchte, der sollte hier nicht weiterlesen dafür aber den Blogpost «5 Dinge welche ich von Europa vermisst habe«. Denn in diesem Post geht es um die europäischen Begebenheiten welche mich nach 3 Jahren ausserhalb Europas am meisten zur Weissglut getrieben haben.
Bereit? Also lasst uns direkt zur dunklen Seite Europas gehen:
11 Uhr Morgens in Delft, Holland. Ein wunderschönes kleines niederländisches Kaff mit verträumten kleinen Grachten in welchen kleine Boote vor sich her dümpeln und bunte Fensterläden an den schmalen Häuser angebracht sind. Der Kirchenturm verkündet gerade die Uhrzeit und durch die kleinen Gässchen fahren aufgrund des gerade stattfindenen Feiertages viele Menschen mit ihren Fahrrädern (welches hier in etwas so sehr zur Kultur gehört wie der Käse zur Schweiz).
So sieht Delft übrigens aus:
Ich stehe in der Bahnhofshalle von Delft und springe von dem einen auf das andere Bein, während ich vergeblich versuche die Tür vor mir zu öffnen. Nach einem Liter Kaffee muss ich relativ dringend aufs Klo, jedoch ist das hier nicht mehr so einfach wie es noch vor wenigen Tagen in Südamerika war. Denn die Tür lässt sich nur mittels Kreditkarte öffnen und obwohl mein Bankinstitut vom Nachbarland Deutschland ist, will das Türsystem die Karte nicht akzeptieren und eine Bargeld-Option gibt es nicht. Also kann man in diesem Land tatsächlich nur aufs Klo wenn man eine Kreditkarte besitzt!?
Ich gebe auf, gehe renne zurück zu Chocolate und fahre zum nächstbesten Café. Nur mal eben kurz das Klo benutzen geht natürlich nicht, weswegen ich mir einen Espresso für knappe 2€ bestelle (muss ja sowieso schon aufs Klo, also was solls.?) und kann – aha – nur mit Kreditkarte bezahlen. Der Sticker auf dem Tresen lässt nicht viel Spielraum.
Immerhin wird meine Kreditkarte nun akzeptiert, der Espresso schmeckt und ich kann endlich aufs Klo.
Aber ehrlich… wo ist das Bargeld hin? Egal wo man in Europa hingeht, überall wird nur noch mit Karte bezahlt. Und nennt mich altmodisch, aber ich habe gerne Geld in der Hand. Für mich ist es dann eher greifbar und ich bin mir eher bewusst wie viel Geld ich gerade für welche Leistung ausgegeben habe. Zudem gibt es weltweit so viel schönes Geld welches man so gar nicht zu Gesicht bekommt. Und sowieso… nicht alle Menschen haben eine Kreditkarte. Wo gehen diese hin wenn sie mal aufs Klo müssen oder wenn sie einen Espresso trinken möchten? Klar war das Bargeld auch teilweise nervig… das feilschen an den Wechselstellen, das nie vorhandene Wechselgeld in Südamerika, die gefälschten Noten in Mexiko oder das aufgrund der hohen Inflation praktisch wertlose argentinische Geld. Aber das gehört genau so zum Reisen wie das super Sonnenaufgang-Foto für Instagram, für welches man extra um 4 Uhr Morgens aufgestanden ist (okay das ist ein schlechter Vergleich, aber ihr wisst was ich meine).
Ich werde auf jeden Fall auch nach meiner Rückkehr in die Schweiz noch weiterhin mit Bargeld bezahlen – sowieso jetzt mit den neuen schicken Geldscheinen!
Wenn man für eine sehr lange Zeit die Lebensmittel für den täglichen Konsum auf staubigen «Mercados» gekauft hat, wo die Ware meistens knapp bis nicht vorhanden war – sowieso wenn man nach 10 Uhr Morgens dort ankam – dann ist der Anblick eines europäischen Supermarktes Traum und Fluch zugleich.
Frisches Brot bis spätabends, Fleisch ohne Ende und Milchprodukte bei welchen es einem schwindlig wird aufgrund der Auswahlmöglichkeiten. Dass dabei nicht gerade wenig im Mülleimer landet ist eine logische Konsequenz von diesem Überfluss.
Und nein ich möchte jetzt hier nicht den Gutmenschen spielen und wie so viele andere den Foodwaste anprangern welchen diese Konsumkultur hervorbringt, aber ist es wirklich nötig dass wir praktisch rund um die Uhr alles haben von was wir denken dass wir es brauchen? Wir sind es uns gewohnt nach Feierabend noch in den Supermarkt zu gehen und eine praktisch unbegrenzte Auswahl an Lebensmittel zu haben. Und genau das ist meiner Meinung nach falsch. Denn es funktioniert im Grossteil der anderen Ländern anders – und es funktioniert! Wer frühmorgens auf den Markt kommt profitiert von frischen Lebensmittel und einer grossen Auswahl und wer später kommt muss halt eben seinen Menüplan den noch verfügbaren Produkten anpassen. Klar haben wir alle unterschiedliche Arbeitszeiten und nicht jeder kann noch vor der Arbeit einkaufen gehen, aber das ist auch im Rest der Welt so – und trotzdem klappt es. Ich denke wenn man mehr mit seinen Mitmenschen redet, dann lässt sich bestimt eine Lösung finden, aber das ist ein weiteres Problem was in der westlichen Welt leider viel zu sehr verloren ging.
Wie man in anderen Ländern einkauft:
Was schon wieso denn das!? Obwohl ich genau das gleiche schon mal bei den positiven Sachen von Europa erwähnt habe, muss ich es auch hier bei den negativen Sachen denn es ist so:
Es ist schön auf einem Radweg unterwegs zu sein, aber was bringt es einem wenn dieser mit Hindernissen vollgestopft und Schlaglöchern übersät ist. Oder wenn dieser einfach mittendrin aufhört und man eine 6-spurige Schnellstrasse überqueren muss um wieder an den Fahrbahnrand zu kommen? Werden hier wirklich Radwege für die Sicherheit der Radfahrer gebaut oder einfach nur um irgendwelche politische Versprechen einzulösen?
Liebe Stadtplaner/Politiker, es gibt Dinge im Leben die macht man entweder richtig oder dann aber gar nicht. Brücken sind so etwas, denn es ist einfach nicht gerade gut für das Image einer Stadt wenn diese einstürzt oder einfach in der Hälfte aufhört. Genauso nützt ein Staudamm welcher nur zur Hälfte fertiggestellt ist auch niemandem. Wieso aber macht man dann aber genau das mit den Radwegen!?
Ein schlechter Radweg ist nicht nur nervig sondern verschlechtert die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer massiv da Radfahrer und Fussgänger oft gezwungen sind den gleichen Streifen Asphalt zu benutzen und es meist keine klare Trennung zwischen den beiden gibt. Vielerorts müssen Radfahrer zudem unlogische und teilweise sogar riskante Fahrmanöver machen um überhaupt auf einen Radweg zu gelangen. Und dann kommt natürlich noch dazu, dass aufgrund der schlechten Radwege diese ganz einfach nicht benutzt werden, was der Kampf zwischen Autofahrer und Radfahrer nur noch verschärft und es einfach viele Idioten gibt welche dann deswegen extra knapp überholen oder Radfahrer sonst wie gefährden. Ach ja und dann kommen ja noch die vielen Elektroscooter dazu, welche nun auch noch irgendwo dazwischen rumwuseln.
Auf über 54’000 Kilometer habe ich viele Radwege weltweit benutzt und nur die holländischen und belgischen waren davon brauchbar, wobei auch diese teilweise in den Innenstädten versagten. Ich finde, dass wir endlich einsehen müssen, dass sich nicht nur unser urbanes Zusammenleben komplett verändert hat sondern auch die mobilen Möglichkeiten. Unsere Fahrräder haben nun einen Elektromotor und sind mit über 30 Sachen unterwegs und es gibt Fahrräder für nur jeden erdenklichen Zweck. Wir sollten endlich dafür Platz schaffen damit wir diese Möglichkeiten auch richtig nutzen können. Wir sollten beginnen Radwege so zu bauen wie wir vor einigen Jahrzehnten auch unsere Autobahnen gebaut haben. Barrierefrei, Getrennt von anderen Verkehrsteilnehmern und vom Gegenverkehr und mit genügend Platz für alle.
Und wieso ich das speziell hier erwähne? Weil, obwohl es auf anderen Kontinenten auch Radwege gibt, es nirgendwo so schlimm ist wie in Europa. Und übrigens beziehe ich das hier auf die Radwege in den Innenstädten. Die meisten europäischen Radwege auf dem Land sind eine wahre Meisterleistung und machen echt Spass.
Radweg in Antwerpen, Belgien:
Egal wohin man schaut, es sind nur noch Zombies unterwegs. Alle schauen sie in ihr Smartphone-Display und wandeln wie halbtote durch die Städte und über Strassen – und nicht selten direkt vor mein Vorderrad.
Smartphones gibt es überall auf der Welt, nur kommt mir die Benutzung von diesen sehr unterschiedlich vor. Denn während in Südamerika oder Asien diese Geräte ebenfalls omnipräsent sind, stehen sie nicht so krass im Vordergrund wie sie dies hier tun. Dort ist der persönliche Kontakt noch viel wichtiger als wie der Blick aufs Handy und man spricht entsprechend noch viel mehr miteinander. In Europa aber ist es mittlerweile praktisch unmöglich noch mit jemandem zu sprechen da sich alle immer quasi in einer anderen Welt befinden. Blickkontakt gibt es nicht mehr und der Austausch mit den Mitmenschen beschränkt sich gerade noch auf ein «Bitte» und «Danke» in den Supermärkten oder Cafés.
Ich wurde oft gefragt ob ich mich denn als Alleinreisender nicht auch oft Alleine fühle und bisher konnte ich diese Frage immer verneinen. Denn egal wo ich hinkam, kamen Leute auf mich zu und wollten wissen wo ich herkomme und was mein Ziel ist mit diesem schwer beladenen Fahrrad. Es entwickelten sich immer interessante Gespräche die nicht selten in echter Freundschaft endeten. Okay schlussendlich wurde dann doch oft noch das Smartphone gezückt, aber nur um ein Selfie zu schiessen oder die Nummer auszutauschen.
Aber hier in Europa ist es anders. Hier in Europa kann man echt leicht vereinsamen. Hier leben wir alle alleine zusammen und das zu sehen schmerzt echt ein wenig.