Die ersten Sonnenstrahlen dringen durch die dicke Baumkrone über mir direkt an mein Gesicht. Ich liege dick verpackt in dem Schlafsack und geniesse diesen kurzen Moment am Morgen in welchem die ganze Welt okay ist weil das Gehirn noch im Schlafmodus ist und so die bevorstehenden Aufgaben und Probleme ausgeblendet werden. Zudem ist es einfach ein wahnsinnig schönes Gefühl mitten im Wald aufzuwachen ohne irgendein Stück Stoff zwischen einem selbst und der Natur zu haben. Denn ich befinde mich in Dänemark und kann hier die kleinen Schutzhütten nutzen, welche die Regierung vor einigen Jahren überall im Land verteilt haben. Meistens handelt es sich dabei nur um kleine Unterstände ohne Fenster oder Türen, da sie auf der einen Seite komplett geöffnet sind. Und ganz oft gibt es sogar Trockentoiletten und einen Wasseranschluss! Ein Luxus nach den dicht besiedelten Gebieten in Deutschland und den Benelux-Ländern (siehe Blogpost «Nur zu Gast«).
Vor wenigen Tagen habe ich Hamburg hinter mir gelassen um endlich den Norden von Europa in Angriff zu nehmen, Skandinavien. Das Ziel ist das Nordkapp, der nördlichste Punkt in Europa welcher sich bereits im 71sten nördlichen Breitengrad befindet und somit weit über dem arktischen Polarkreis. Im Sommer geht da oben die Sonne niemals unter – und im Winter dafür niemals auf. Abgesehen vom starken und eiskalten arktischen Wind, herrscht eine Temperatur welche nur selten die 15 Grad Marke überschreitet – im August! Eigentlich kein Ort an welchem man mit dem Fahrrad sein möchte, jedoch nach der kalten Zeit in Patagonien genau das was ich irgendwie vermisse… also los!
Ich packe meine wenigen Sachen auf das Fahrrad, koche Kaffee und trete, nur 40 Minuten nachdem die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht erwärmten, los. Dänemark ist flach und der Wind auf meiner Seite… naja also fast, aber immerhin nicht direkt von vorne.
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Wie ein Gitternetz spannen sich die kleinen Strassen über die von der Landwirtschaft geprägten Landschaft und ohne GPS würde ich mich hier wohl hilflos verfahren. Der Endpunkt meiner Route für heute liegt auf dem Radshuspladsen in Kopenhagen und wäre eigentlich einfach erreichbar in einem Tag. Jedoch konnte ich leider keinen Warmshowers-Host finden und die Hostels sind schlicht zu teuer für mein Budget (oooh wie vermisse ich die günstigen Hospedajes in Südamerika). Daher verlasse ich die Route 17 Kilometer vor dem Zentrum und fahre in ein kleines Waldstück in welchem weitere Schutzhütten vorhanden sind. Es wird meine «Homebase» für die nächsten Tagen um die Stadt zu erkunden. Ich fühle mich ein bisschen wie ein absoluter Aussteiger, welcher ausserhalb der Stadt im Wald wohnt und jeden Tag kurz vor der Dämmerung zurück in seinen Unterschlupf geht 😉
Von Kopenhagen geht es entlang der Küste weiter nach Norden bis zur Ortschaft Helsingor. Von hier aus sind es nur wenige Kilometer über das Meer bis nach Helsingborg in Schweden. Also geht es für Chocolate mal wieder über eine Eisenrampe hinein in den Schlund der riesigen Fähre. Es wird die erste von sehr vielen Fähren sein bis hinauf ins Nordkap, denn die Küstenstrasse in Norwegen ist keineswegs eine durchgehende Strasse sonder viel mehr einen Mix aus Strasse und Fährenverbindungen.
Die nächsten Tagen folge ich dem Radweg entlang der schwedischen Küste hinauf bis nach Oslo. Dabei treffe ich auf Angie, eine Radreisende aus der Schweiz und campe an den wohl so ziemlich schönsten Orten überhaupt.
Und hier noch Schweden-Deko welche garantiert nicht aus der IKEA kommt
Und hier noch das Briefkasten-System der Schweden
Ich überquere die Grenze nach Norwegen nach (leider) nur wenigen Wochen in Schweden. Hier wäre ich gerne länger geblieben, denn zum Radfahren ist es einfach nur genial. Aber da die norwegische Küste schöner sein soll als wie die endlosen Wälder im Landesinneren von Schweden, gibt es keinen anderen Weg als wie zuerst nach Oslo. In Oslo habe ich mit Nora endlich wieder einen Warmshowers-Host und geniesse die Auszeit in der Hauptstadt bevor es zurück ins Landesinnere geht, hinauf nach Trondheim. Von Oslo selbst habe ich keine Fotos (Schande über mich), dafür aber von dem Weg nach Trondheim:
Bereits in Oslo gab es fast keine Nacht mehr sondern eher nur eine längere Dämmerung bevor die Sonne dann wieder über den Horizont kletterte. Dieses Bild zeigt ein See in der Nähe von Oslo kurz nach Mitternacht:
Aber das Beste an Norwegen ist wohl das, was hier gegessen wird: Tigerkaka! En guete 😉
In Trondheim erreiche ich wieder die Küste, was sich vorallem durch die krächzenden Möwen bemerkbar macht. Ich bin eigentlich überhaupt nicht ein «Beach Boy» und versuche möglichst das Meer resp. die Küste zu vermeiden, hier in Norwegen jedoch stellt genau diese das eigentliche Highlight dar. Die Fv17 ist eine Strasse welche von Trondheim entlang der Küste bis hinauf nach Bodø führt, eine Stadt welche sich bereits über dem Polarkreis befindet. Die Strasse schlängelt sich dabei durch die Fjorden entlang an felsigen Abhängen und durch endlos lange Tunnel. Eigentlich ist direkt hinter jeder Kurve ein weiteres Postkarten-Motiv und so ist ein Vorwärtskommen nur schwer möglich da längere Fotopausen einfach fast Pflicht sind. Und wenn man dann Abends müde ist, erlaubt das «Allemansrätten» das Campieren an fast jedem Ort. Dieses Gesetzt ist quasi der Freipass zum wildzelten an jedem erdenklichen Ort, solange dieser 150 Meter Abstand zum nächsten permanent bewohnten Gebäude hat (weitere Infos hier). Die Fv17 kombiniert mit dem Allemansrätten macht die Strecke zu einer der beliebtesten Route Europas. Und das zu Recht:
Und Abends dann so:
Ich erreiche Bodø nach wenigen Wochen und bin etwas vor dem Zeitplan. Denn nur wenigen Kilometer nördlich befindet sich die Stadt Tromsø von wo aus Ramona mit mir bis nach Finnland mitfahren wird. Ramona traf ich vor ziemlich genau zwei Jahren in einem Hostel in Panama City. Wir waren damals beide unterwegs nach Südamerika und mussten den Darien Gap überqueren um dorthin zu kommen (die Stories dazu hier: Der Umweg ins Paradies sowie The bit in the middle). Eigentlich hatten wir damals nur einen knappen Tag zusammen, jedoch reichte dies aus um für so lange Zeit in Kontakt zu bleiben. Denn wenige Monaten nach unserem Treffen schickte sie mir eine Nachricht, und meinte dass sie gerade von der Schweiz nach Amsterdam fuhr – mit dem Fahrrad! So wie es scheinte war meine Reise eine echte Inspiration für sie, und sie war hungrig auf mehr. Und so kommt es nun, dass wir uns zwei Jahre später auf der anderen Seite des Globus wieder sehen werden, um gemeinsam zum nördlichsten Punkt in Europa zu fahren. Cool!
Aber wie gesagt, ich bin etwas zu schnell unterwegs… also muss ab jetzt etwas anderes gemacht werden als wie Radfahren – ich gehe Wandern!
So schön, dass es schon fast etwas surreal wirkt… der Rago Nasjonalpark ist (zurzeit) noch ein kleiner Insidertipp welchen ich nur durch Zufall gefunden habe. Während die meisten Touristen auf die Lofoten reisen, finden nur wenige den Weg ins Landesinnere zum Rago Nasjonalpark. Da es mitten in den Sommerferien ist und bereits die Fv 17 gefährlich voll war mit Wohnmobilen, ist dies der genau richtige Rückzugsort für mich. Und ja, es hat sich gelohnt!
Und so sehen norwegische Wanderwege aus
Mit der Auszeit im Nationalpark sowie noch einem Ruhetag an einem See im Grünen, erreiche ich Tromsø zwei Tage vor der Ankunft von Ramona. In einem Airbnb kann ich endlich mal wieder eine richtige Dusche geniessen (nicht das eiskalte Wasser vom Fluss) und das Bett fühlt sich so flauschig an wie schon lange nicht mehr. Und obwohl das hier alles gerade ziemlich schön ist, vermisse ich die überwältigende Natur von Norwegen bereits nach wenigen Stunden. Nun muss nur noch Ramona ihren Flug erwischen, und dann werden wir bereits in drei Tagen wieder im Sattel sitzen um noch die letzten Kilometer bis zum nördlichsten Punkt gemeinsam zu erradeln. Also ab zum Flughafen…
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