Hmmm was machen wir denn heute schönes? Da wären noch so viele alte Gebäuden anzuschauen, den Caminito in La Boca oder einfach etwas am Hafen entlangschlendern und den Blick über den Atlantiks geniessen. Hehe es fühlt sich immer noch komisch an nun am Atlantik zu sein. Es hat knapp 3 Jahre gedauert um endlich auch dieses Weltmeer zu erreichen und nachdem ich nun knapp 2 Jahre der Pazifikküste entlanggeradelt bin, fühle ich mich etwas wie ein Ehebrecher.
Und heute habe ich Lust darauf so richtig untreu zu sein. Also ab ans Meer. Nur wird dieser Trip etwas länger dauern, denn ich habe kein Fahrrad! Also nun ja eigentlich schon, aber dieses befindet sich im Keller dieses Hostels in einer riesengrossen Kartonschachtel. Schön säuberlich demontiert und verpackt, zusammen mit dem Zelt, Schlafsack und noch weiteren Sachen. Ganze 30 Kilo hat die Waage am Check-In Schalter angezeigt! Keine Ahnung ob Chocolate so schwer ist, oder doch die Kartonschachtel der „Gordito“ ist. Naja ich habe ja noch 4 Tage Zeit das herauszufinden, denn dann geht der nächste Flieger bei welchem das Rad nicht mehr als 25Kilo sein darf. Also umpacken…. Gott, ich hasse fliegen mit einem Fahrrad!
Die Tage hier sind also gezählt und ich möchte nun noch so viel wie möglich aus meinem Aufenthalt in dieser wunderbaren Stadt herausholen – nein, eigentlich aus diesem Kontinent! Denn es sind die letzten Tage in Südamerika. Fast ein Jahr bin ich nun schon hier und der Gedanke daran Südamerika bald gegen Europa einzutauschen, löst sehr gemischte Gefühle aus. Also schnell raus hier und hinein in das chaotische Leben auf der Strasse wo alles sein kann aber nichts muss. Noch ein bisschen Südamerika bevor das geordnete europäische Leben wieder überhand nimmt. Mit dem öffnen der Türe werde ich geflutet mit dem Lärm der Grossstadt. Noch immer ungewohnt, nach den letzten Monaten in den verlassensten Gegenden der Welt, wo selbst das Zirpen von Grillen als laut angesehen werden kann. Och, es war so schön… ich werde diese Ruhe und Abgeschiedenheit vermissen. Also noch ein bisschen zurückschauen bevor es weitergeht…
Also ich habe es mir anders vorgestellt… dieser Pass hier. Zuerst kämpft man auf dem Asphalt gegen die vorbeirauschenden Lastwagen um sein Überleben und danach auf dem viel zu steilen Kiesweg um Sauerstoff. Na gut ist auch kein Wunder bei knapp 4000 Höhenmeter. Der Verkehr fährt mittlerweile unter mir durch den Berg und spart sich somit die letzten 700 Höhenmeter. Nur ein paar Autos und Minivans wagen sich an diesen Weg heran, bei welchem es immer entweder rechts oder links mehrere hundert Meter in den Abgrund geht. Und natürlich auch andere Radfahrer – Auf schönen glänzenden ultraleichten Mountainbikes ganz ohne Gepäck. Und ich Idiot fahre mit meinem ganzen Haushalt hier hoch… Aber es handelt sich hierbei ja um Argentinier, und somit ist alles nur halb so schlimm. Noch kurz einen Mate-Tee zusammenschlürfen, das obligatorische Selfie schiessen und dann schnaufen wir gemeinsam weiter den Berg hoch. Nur noch 100 Höhenmeter!
Der Pass Cristo Redentor ist gleichzeitig die Grenze von Argentinien nach Chile und mit knapp 4000 Höhenmeter körperlich eine ganz schöne Herausforderung. Die Grenze liegt auf der Passhöhe, die eigentliche Grenzkontrolle erfolgt jedoch viele Kilometer weiter unten im Tal. Wenn man den Kiesweg auf der Karte anschaut, dann kann man schon ziemlich gut erahnen wie gross das Abenteuer ist, die Anden hier mit dem Fahrrad zu überqueren. Die Strasse schlängelt sich mit so vielen Kurven die zerklüfte und steile Bergwand hinauf, dass der Lenker praktisch niemals geradeaus zeigt. Auf der Passhöhe befindet sich ein kleines Refugio sowie ein Souvenirshop (!) und noch ein Choripan-Verkäufer. Choripan ist kurz erklärt eine Chorizo-Wurst im Brot. Genau das richtige nach so einem Aufstieg.
Ich esse mein Choripan, verabschiede mich von meinen argentinischen Radfahrer-Kollegen und sause auf der anderen Seite des Berges hinunter, nun auf chilenischem Boden. Es sind die letzten Kilometer auf dem Fahrrad für eine sehr lange Zeit, denn in einem kleinen Dorf nahe der Pazifikküste wartet ein Freund auf mich welchen ich vor 1.5 Jahren damals in Seattle kennengelernt habe. Jos wohnt mit seiner Familie eigentlich in der Hauptstadt Chile’s, Santiago, aber besitzt hier draussen im Grünen ein Ferienhaus. In Seattle meinte er damals, dass ich herzlich willkommen bin, sollte ich es bis Chile schaffen. Tadaa hier bin ich 😉
Ich erreiche sein Ferienhaus 2 Tage nach der Passüberquerung, stelle mein Fahrrad in den Werkzeugschuppen und hole es erst 3 Wochen später wieder heraus. Jetzt könnte ich euch natürlich viel über die Zeit dort erzählen, aber das war ja „Urlaub“ 😉
Oooh diese Kälte hier oben ist ja nicht zum aushalten! Kaum hat sich die Sonne hinter der Felswand hinter mir verabschiedet, ist die Temperatur um gefühlte 20 Grad gesunken und ist jetzt bei circa. -50 Grad… okay vielleicht übertreibe ich auch ein bisschen, da die letzten Tagen extrem heiss waren und es erst jetzt in der Höhe der Anden wieder kühler wird. Wahrscheinlich sind es eher so 5 Grad. Aber ja, der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.
Nach knapp 3 Wochen bei Jos, fuhr ich vor wenigen Tagen weiter nach Süden um noch rechtzeitig vor Winterbeginn Ushuaia erreichen zu können. Es ging über die hügelige Küstenstrasse bis zur zweitgrössten Stadt Chile’s, Valparaiso. Die Stadt war so wahnsinnig schön, dass sie einen eigenen Blogpost verdient hat (siehe hier). Nach Valparaiso habe ich einen verloren geglaubten Freund in einer kleinen Waldhütte wiedergefunden… klingt etwas abenteuerlich? Okay, hier also kurz zusammengefasst: Vor 2.5 Jahren war ich in der Türkei unterwegs, allerdings nicht alleine sondern mit zwei Bulgaren. Während ich in Trabzon auf mein Iran-Visum warten musste, sind wir per Autostopp zu einem Kloster in den Bergen gefahren. Dieses war leider geschlossen und wir mussten somit wieder eine Mitfahrgelegenheit für 3 Personen finden. Dann trafen wir auf Felix, welcher mit einem alten Landcruiser nach Osten unterwegs war und uns mitnahm… also irgendwie… ich sass auf dem Beifahrersitz, während Ivan sich mit seinem Gurt aussen ans Fahrzeug gebunden hat und Todor sich mit beiden Händen auf dem Dach festkrallte. Das sah so lustig aus, dass selbst die Türken angehalten haben und Fotos von uns machten, obwohl sie in ihrem Land genügend verrückte Transporte durchführen.
Wir verbrachten anschliessend noch ein paar Tage zusammen, ich fuhr dann jedoch weiter, als mein Visum endlich ausgestellt war. Die anderen fuhren dann weiter nach Georgien, wo Todor nach Hause musste, da seine Freundin ihn dort besuchen kam mit einer Überraschung welche 9 Monate später sein Leben komplett veränderte. Sein Reisepartner, Ivan, fuhr somit alleine weiter und müsste meines Wissens jetzt irgendwo in China sein. Aber auch Felix seine Reisepläne hatten sich grundlegend geändert, als er eine hübsche Hitchhikerin kurz vor verlassen der Türkei aufsammelte und sich Hals über Kopf in sie verliebte. So viel zu Vorgeschichte… Als ich nun in Valparaiso war, erreichte mich eine Nachricht von Felix. Er hat den asiatischen Kontinent hinter sich gelassen, einen neuen Landcruiser gekauft, den zum Campervan umgebaut und befindet sich nur gerade 80 Kilometer von Valparaiso entfernt! Für den Abend unseres geplanten Wiedersehens hatte er eine Einladung von ein paar Einheimischen, welche ihn am Strand gesehen haben und kurzerhand in ihr Ferienhaus im Wald eingeladen haben. Ich solle ruhig auch noch dazustossen und so stand ich also einen Tag später vor dieser Waldhütte als ein Landcruiser um die Ecke gefahren kam. Felix sass allerdings nicht alleine in dem Fahrzeug sondern hatte eine äusserst hübsche Beifahrerin dabei. Ja, die Hitchhikerin hat quasi nie mehr sein Auto verlassen! Och wie romantisch!!
Ich blieb einen Tag länger als wie geplant, verbrachte eine wunderbare Zeit mit Jean Pierre und seiner Familie, unsere Gastgeber, planschte mit Felix und Emine im Pool und versuchte die Ereignisse der vergangenen 2.5 Jahren in möglichst kurzen Text zu fassen. Jaja, die Welt kann manchmal schon sehr klein sein.
Es ging für ein paar Kilometer weiter über die hügeligen Küstenstrasse konnte diese dann aber endlich irgendwann hinter mir lassen. Danach folgten die staubtrockenen Gebiete zwischen Küste und Anden. Gerade in den Sommermonaten sieht diese Gegend so gut wie kein Niederschlag und so fuhr ich von einer Rauchwolke zur nächsten. Egal wo ich war, ein Waldbrand war immer in unmittelbarer Nähe und die Luft brannte teilweise regelrecht in den Augen.
Kurz vor dem Aufstieg in die Anden campte ich an einem Flussufer in der Nähe einer grösseren Stadt als spätabends plötzlich der Boden erzitterte und ein ohrenbetäubender Lärm die Ruhe beendete. Ein Lösch-Helikopter nutzte den Fluss um Wasser für den nächsten Einsatz zu fassen. Gut dass dieser nicht etwas früher kam, denn da war ich noch nackig in dem Fluss herumgeschwommen! Als wäre dies nicht schon genug Abenteuer für einen Tag gewesen, wurde ich ein paar Stunden später, mittlerweile war es komplett dunkel, von Sirenen und einem beissenden Geruch geweckt. Das Waldstück auf der anderen Flussseite stand in Flammen und im orangeleuchtenden Licht vom Feuer konnte ich gerade erkennen, wie zwei Feuerwehrmänner eine Wasserpumpe in den Fluss schmissen. Der Rauch zog über das Wasser und so stand ich auf der anderen Seite am Ufer und dachte nur „Smoke on the water….“ und natürlich was ich machen könnte, falls das Feuer meine Seite des Flusses erreichen würde.
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Die Feuerwehrmänner leisteten aber gute Arbeit und brachten das Feuer zwei Stunden später komplett unter Kontrolle. Am nächsten Morgen zeugte nur noch ein schwarzer Haufen Holz sowie Rauchgeruch von den Ereignissen der vergangenen Nacht. Ja, in Chile gibt es echt viele Waldbrände!
Und nun, ein paar Tage später und einige Höhenmeter weiter oben bin ich nun an diesem etwas surreal wirkenden Ort kurz vor der Passhöhe und somit dem Grenzübergang zurück nach Argentinien. Als die Sonne vor wenigen Minuten hinter den schneebedeckten Bergen unter ging, reflektierten die Felswände das orange Licht und wenn man genau hinschaute, konnte man noch ein paar Kletterer erkennen, welche im letzten Licht versuchten die Spitze zu erreichen. Ein Bergbach welcher nur einen Steinwurf entfernt ist, stürzt dutzende Meter in die Tiefe und projiziert so einen Regenbogen welcher sich wunderschön über diese ganze Kulisse legt. Ein Traum! Aber wie gesagt, etwas zu kalt für mein jetziges Befinden.
Mit Wasser aus dem Bergbach koche ich Nudeln über dem Benzinkocher, als aus der Ferne eine Taschenlampe die Felsen um mich herum erhellt. Ein Kletterer auf dem Weg zurück zu seinem Fahrzeug stoppt bei mir um noch etwas zu quatschen. Er klettert in ganz Südamerika und ist mit Peruaner zurzeit unterwegs nach Süden, eventuell bis nach Patagonien. Naja vielleicht sehen wir uns ja mal wieder irgendwo am Ende der Welt.
Am nächsten Tag überwinde ich früh am Morgen die letzten Höhenmeter, erledige den ganzen Papierkram an der chilenischen Grenzkontrolle (Chilenen wissen wie sie einem das Leben schwer machen können) und radle über eine wüstenähnliche Region vorbei an Lagunen bis endlich die Tafel „Bienvenido en Argentina“ auftaucht. Es folgt nun wieder ein langer Downhill zurück in die Pampa, zurück auf die Ruta 40, welcher ich schon ca. 1500 Kilometer weiter nördlich gefolgt bin.
Wer schon mal in der Pampa unterwegs war, weiss dass es nichts gibt was man davon gross erzählen kann. Nur vertrocknete Sträucher, Sand und hier und da mal ein paar Lamas, Kühe oder Esel. Also überfliegen wir dies einfach mit ein paar Bildern, aber ohne Text.
Keine Worte können diesem Anblick gerade gerecht werden. Der Aufstieg hierhin hat sich auf jeden Fall gelohnt, und die Entscheidung die Ruta 40 zu verlassen um durch diesen Nationalpark zu fahren sowieso. Wie ein glitzernder Teppich liegt der kristallblaue Bergsee unter mir, von allen Seiten begrenzt durch mächtige Berge und grünen Wäldern. Was für ein Anblick!
Sowieso nach der langen Zeit in der langweiligen Pampa. Immerhin gab es auch dort zwei Lichtblicke… ich habe die Hälfte von der Ruta 40 erreicht sowie auch das erste Schild mit der Aufschrift „Patagonia“ hinter mir gelassen. Nun ist es also offiziell, ich bin endlich in Patagonien! Fast zwei Jahren nach der Abfahrt in Vancouver nun also auf den letzten Kilometern. Okay Patagonien ist gross und es sind noch gute 2000 Kilometer bis nach Ushuaia, aber immerhin!
Und kaum hatte ich das Patagonien-Schild passiert, hat sich auch die Gegend schlagartig verändert. Vorbei war die langweilige Pampa und hinter jeder Kurve wartete ein Postkarten-Motiv. In jedem zweiten Dorf gab es eine kleine Brauerei und die Campingplätze lagen an so schönen Orten, dass es eigentlich schon fast schade war ins Zelt zu hüpfen.
Und auch die weiteren Kilometer bis Ushuaia werden ein täglich ein Highlight. Denn in wenigen Tagen geht es zurück nach Chile um die legendäre Carretera Austral zu fahren. Von deren Ende geht es wieder zurück nach Argentinien zu den berühmten Gipfel von Mt. Fitzroy und Cerro Torre, zu den grössten Gletschern der Welt und über die windige Pampa in Feuerland bis die Strasse endet in Ushuaia. Aber das kommt das nächste mal! Denn ich habe ja nur noch 4 Tage auf diesem wunderbaren Kontinent und muss nun echt dringend nochmals ein bisschen das südamerikanische Leben aufsaugen. Ich verspreche euch diesen Countdown bis Tag 0 sehr bald fortzuführen! Also hasta pronto chicos!!
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