Mit knapp 10km/h tasten wir uns vorsichtig Meter um Meter an die nächste Haarnadelkurve heran. Die Strasse hier besteht aus grossen spitzigen Steinen und der Mix aus Regen und Schnee macht die schmale Fahrbahn zu einer einzigen Rutschbahn. Links und rechts geht es jeweils mehrere hundert Meter in die Tiefe. Ein kleiner Fahrfehler und wir sind verloren. Neben mir sitzt Juan und hält das Lenkrad mit beiden Händen so fest, dass seine Fingerknöchel bereits komplett weiss sind. Obwohl er diese Strecke mehrmals wöchentlich fährt, bleibt sie eine riesige Herausforderung welche alles von den Fahrern abverlangt. Um seinen Truck um die engen Haarnadelkurven manövrieren zu können, muss er jeweils vor der Kurve bis ganz an die Felswand ranfahren um anschliessend das Lenkrad voll in einzudrehen – und selbst dann ragt die Fahrerkabine oft gefährlich weit über den Abgrund.
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Nach 20 weiteren Haarnadelkurven lockern sich endlich die dicken Regenwolken etwas auf und die vergletscherten Berggipfel um uns herum werden wieder sichtbar. Viele Gipfel sind weit über 6000m hoch, denn wir befinden uns in der grössten und höchsten tropischen Bergkette der Welt, der Cordillera Blanca. Der unglaubliche Anblick dieser majestätischen Bergen kann mich allerdings nicht von meinen dunklen Gedanken ablenken. Denn es gibt einen Grund weswegen ich in einem LKW unterwegs bin und nicht mit dem Fahrrad. Und der könnte das Ende dieser Reise bedeuten…
Die Strassen Ecuadors sind ein Witz! Wer diese Strassen geplant hat, hat entweder keinen Führerschein oder einfach keine Ahnung von seinem Job. Anders kann ich mir diese sinnlose Streckenführung und die unnötig steilen Anstiege nicht erklären. Mit Nick aus England ging es die letzten 3 Wochen über viele solche Strassen, welche aussehen als wären sie von Kindergärtler geplant worden, doch heute ist damit endlich fertig. Vor uns glitzert der Grenzfluss von Las Balsas in der Mittagssonne und direkt auf der gegenüberliegenden Seite können wir die asphaltierte Strasse erkennen welche dem Flussverlauf folgt. Wir müssen nur noch einen letzten steinigen Downhill auf einer extrem steilen Kiesstrasse überleben und dann sind wir dort. Dann sind wir endlich in Peru!
Problemlos erhalten wir in dem kleinen Betonhäuschen unseren Ausreisestempel und schieben unsere Räder über die Brücke nach Peru. Auf der anderen Seite werden wir begrüsst mit smoothen Asphalt und einem Gratis-Visa für 180 Tage (Normal wären eigentlich nur 90). Es ist die erste asphaltierte Strasse seit fast 5 Tagen und wir müssen uns zuerst wieder an die höhere Geschwindigkeit gewöhnen. Wir haben gerade die Nordgrenze nach Peru überquert und vor uns liegt das Land der Inkas und der höchsten Bergen in den Anden. Es wird lange dauern bis wir wieder eine Grenze überqueren werden, denn Peru ist so gross wie ganz Zentralamerika und während die Panamericana hauptsächlich der Küste entlang führt, führt uns unsere geplante Route mitten durch die Berglandschaft. Bis kurz vor Bolivien wird es so gut wie nie mehr flach sein! Allerdings müssen wir zuerst noch ein paar sehr tiefe Canyons überwinden, welche uns hinunter auf bis zu 400MüM führen sollen.
Im letzten Sonnenlicht fahren wir zwei Tage später durch die grünen Reisterrassen und obwohl es bereits am Eindunkeln ist, ist die Hitze noch immer unerträglich. Wir sind mittlerweile im ersten dieser tiefen Canyons angekommen und das GPS zeigt nun eine Höhe von gerade mal etwas mehr als 400MüM an. Zwischen den grünen Feldern finden wir einen Platz zum campieren – gerade rechtzeitig, denn kaum sind wir im Zelt verschwunden kleben dutzende blutrünstige Moskitos an dem Mesh-Innenzelt und lechzen regelrecht nach uns. Selbst als wir kurz nach dem Sonnenaufgang unsere Zelte abbauen, sind die Bestien noch immer da. Also verschieben wir unser Frühstück auf später und fahren los. Nach 35 Kilometer und unglaublichen 7 Plattfüssen (Maxxis Reifen… kauft niemals Maxxis!) später, erreichen wir die Stadt Bagua Grande und beenden den Tag an dem Pool eines Hotels, welches uns dort zelten lässt. Mit so vielen Plattfüssen lohnt es sich einfach nicht noch weiter zu fahren, allerdings wäre dies aufgrund der lauten Latino-Musik rund um den Pool vielleicht doch besser gewesen. Es scheint, als gäbe es in diesem Land einfach keinen ruhigen Platz ohne pumpende Latino-Musik, ewigem Gehupe und dem ständig gleichen Autoalarm-Ton, welcher an jeder Ecke ertönt. Zu allem Übel wird das Parlament in wenigen Wochen neu gewählt und somit fahren dutzende von Tuk-Tuks und Pick-Ups mit Lautsprecher auf dem Dach durch die Gegend und werben für die jeweilige lokale Politikgrösse. Kleine Anmerkung am Rande: Ein populärer Kandidat heisst tatsächlich Hitler zum Nachnamen! Hmmm wahrscheinlich nicht gerade der beste Name um in die Politik zu gehen, aber ja… andere Länder andere Sitten 😉
Um der Hitze grösstenteils zu entkommen, fahren wir auch am nächsten Tag bereits wieder sehr früh los. Allerdings fühle ich mich hundsmiserabel und kann mich kaum auf den Beinen halten. Das Quinoa vom Vortag war wohl doch nicht mehr so gut und so werde ich von elendigen Magenkrämpfen geplagt. Aber einen weiteren Tag mit dieser Lärmbelästigung kann ich auch nicht durchstehen, also treten wir in Pedalen und folgen dem Canyon weiter nach Süden. Es war wahrscheinlich nicht die beste Idee, denn nach 20 Kilometer geht es mir so schlecht, dass ich mich mehrmals übergeben muss. So beende ich den Tag im Schatten auf dem Pausenhof einer Schule, wo mir die Einheimischen sogar extra noch eine Matratze auf den staubigen Boden gelegt haben. Nick will nur noch aus den Tropen raus und fährt alleine weiter nach Nuevo Tingo, eine Ortschaft welche aufgrund der Inka-Stätte “Kuelap” sehr bekannt wurde und auf etwas mehr als 2000MüM liegt.
Mein restliches Tagesprogramm besteht von nun an aus schlafen und dazwischen die Fragen der Kinder zu beantworten, welche sich um meine Matratze versammelt haben. Die Situation erinnert mich ein bisschen an vor 1.5 Jahren, als ich auf einem Pausenhof in Kambodscha geschlafen habe, nachdem mich die schwerbewaffnete lokale Polizei von dem super Wild-Campingplatz in den Reisfeldern geholt hat. Damals musste ich mitten in der Dunkelheit mein Zelt abbrechen und dem Mofa der Polizei zurück in das Dorf folgen. Nach der obligatorischen Passkontrolle sowie sechs Bier “Schmiergeld”, durfte ich hinter der Polizeihütte zelten, was allerdings auch gleichzeitig der Pausenhof war. Um bereits 5 Uhr morgens standen ca. 50 Kids um mein Zelt herum (zur Story). Die Erinnerung lässt mich schmunzeln und bietet gleich wieder etwas Reisestories, welche ich nun den hier anwesenden Kids erzähle. Mein Gesundheitszustand und die Hitze drücken auf den Gemütszustand und die Reisefreude schwindet. Allerdings weiss ich, dass ich mich erst im nördlichsten Zipfel von diesem riesigen Land befinde und Peru noch vieles für mich bereit halten wird. Also schnell wieder gesund werden und zurück in den Sattel!
Und da ist sie wieder – Die Freude am Reisen! Nach einem Tag auf der Matratze im staubigen Pausenhof bin ich wieder topfit und konnte auch Nick einholen, welcher in Nuevo Tingo mit einer Magenverstimmung flach lag. Es scheint als wäre das peruanische Essen etwas gefährlich…
Die Strasse nach Nuevo Tingo war ein absoluter Traum, denn es ging auf einer asphaltierten und komplett verkehrsfreien Strasse immer weiter hinauf in die Höhe und so wurde es mit jedem Kilometer etwas kühler. Berge ragten links und rechts von der Strasse in die Höhe und ihre Gipfel leuchteten in der Nachmittagssonne. Oft fuhr ich zwischen Palmen hindurch, während weiter oben einen komplett andere Vegetation auf mich herabschaute.
Und auch nach Nuevo Tingo blieb die Strasse in einem Topzustand ohne jeglichen Verkehr. Campingmöglichkeiten sind hier fast so zahlreich wie die Kühe welche überall auf der Strasse herumstehen und selbst das Wasser aus dem Fluss ist trinkbar. Ein wahrer Traum für Radnomaden! Nachdem wir gestern den ganzen Tag nur hochfuhren, schlugen wir unsere Zelte auf einem verlassenen Fussballplatz auf, an welchem ein kristallklarer Bergbach vorbeifloss. Die Milchstrasse führte direkt über unsere Zelte und die Lichtverschmutzung war so gering, dass wir selbst Satelliten sehen konnten.
Verschlafen blicke ich am nächsten Morgen aus dem Zelt und erkenne eine komplett weisse Wiese vor mir. Die Nacht war eisig kalt, und der Bodenfrost unterstreicht die tiefe Temperaturen hier gleich nochmals. Aber noch immer besser als die Hitze und die Moskitos von dem Canyon von vor ein paar Tagen. Nach einem stärkenden Frühstück (Haferbrei…yummy 😉 )klettern wir die letzten Kilometer hinauf zum “Calla-Calla” Pass, welcher auf rund 3600MüM liegt. Was sich ziemlich hoch anhört, ist allerdings für peruanische Verhältnisse eher Durchschnitt. Als wir über den Pass fahren erstreckt sich ein fast schon unwirklich schönes Panorama vor unseren Rädern. Vor uns liegt der Marañon-Canyon, welchen man quasi als Grand Canyon von Peru bezeichnen kann.
Während bei uns auf dem Pass die Gegend tiefgrün ist, wird der Canyon immer trockener je weiter man nach unten schaut. Weit unten können wir eine wüstenähnliche Gegend erkennen und die Hitze bereits erahnen. Es führt allerdings kein Weg daran vorbei um auf die andere Seite zu kommen und irgendwie freuen wir uns auf den langen Downhill genau so wie auf den darauf folgenden langen Uphill. Ganze 60 Kilometer lang müssen wir von nun an nicht mehr in die Pedalen treten, dafür aber immer mal wieder die Bremsen betätigen. Nach 20 Kilometer folgt der erste Stopp um ein paar Schichten an Kleidung zu verlieren. Knappe 15 Kilometer der nächste und als wir nach fast 3 Stunden Downhill unsere Räder an dem Marañon Fluss ausrollen lassen, haben wir nur noch Shorts und T-Shirt an – und ein riesiges Grinsen auf dem Gesicht. So leicht kann Radfahren sein 😉 In Balsas (nicht zu verwechseln mit dem oben genannten Grenzort Las Balsas) schlafen wir erstmal eine Runde auf der Parkbank, denn zum Radfahren ist es mal wieder viel zu heiss. Erst als gegen Abend die Moskitos unsere Ruhe stören, fahren wir weiter. Unten im Tal ist es bereits seit einigen Stunden schattig, aber die Berggipfel welche fast 3000 Meter höher sind, geniessen noch die letzten Sonnenstrahlen. Unser Ziel ist es, etwas höher einen Campingplatz zu finden, von wo aus wir dann früh am nächsten Tag den langen Uphill zurück auf 3000MüM starten können. Aufgrund der Wasserknappheit schleppen wir noch so viel Wasser wie möglich mit, und quälen uns dann mit dem Zusatzgewicht die schmale asphaltierte Strasse auf der anderen Seite des Canyons wieder hoch. Es ist bereits stockdunkel als wir 400 Meter höher einen etwas abgelegenen flachen Platz zum campieren finden. Wir befinden uns noch immer in dieser wüstenähnlichen Gegend, doch zu unserer grossen Verwunderung können wir doch tatsächlich einen kleinen Bergbach finden! Unter einem sternenklaren Himmel kochen wir unser Abendessen auf dem Benzinkocher und geniessen die absolute Stille in diesem Canyon – endlich mal Ruhe in diesem Land! Übrigens sind alle bisherigen Campingplätze hier ersichtlich
Der Aufstieg am nächsten Tag dauert ewig. Es sind nochmals fast 2000 Höhenmeter bis zum Gipfel und der Uphill beschäftigt uns den ganzen Tag. Die Strasse ist dabei einfach phänomenal, denn sie führt in unzähligen Haarnadelkurven, und dadurch absolut nicht steil, immer höher zurück in die Berge. Und mit jedem Kilometer wird die Gegend um uns herum grüner. Gegen den späten Nachmittag markiert ein dichter Nadelwald das Ende des Aufstiegs und bevor wir uns in den Downhill zur nächsten Stadt stürzen bewundern wir nochmals das Panorama dieses Canyons – diesmal allerdings von der anderen Seite.
Unsere Gruppe ist gewachsen! Kurz nach dem Marañon Canyon trafen wir auf Max, einen Italiener, welcher mit Fahrrad und Anhänger nach Argentinien unterwegs ist. Gemeinsam genossen wir ein paar Ruhetage in Cajamarca, wo wir unsere müden Körper in den örtlichen Thermalquellen entspannen liessen. Doch Peru wäre nicht Peru, wenn diese Entspannung nicht bereits nach einem Radtag wieder vorbei wäre.
Von Cajamarca aus ging es über einen 4400 Meter hohen Pass nach Mollepata, ein kleines Dorf am Rande von dem nächsten grossen Canyon, dem Tablachaca-Canyon. Wir kamen hier gestern Abend an, total durchnässt von einem nicht enden wollenden Regentag. Für 10 Soles ($3.-) bezogen wir unsere Zimmer in einem Hotel, welches aus Kuhdung-Ziegel gebaut wurde. Der Boden besteht aus Erde und somit mussten wir uns in unserem verschlammten Zustand wenigstens keine Sorgen machen etwas zu verdrecken.
Nach einem weiteren Haferbrei-Frühstück am nächsten Morgen folgen wir weiter der Kiesstrasse hinunter in den Canyon. Ab der nächsten Ortschaft rollen unsere Räder wieder auf asphaltierter Strasse, welche von hier an richtig abenteuerlich wird. Der Tablachaca-Canyon ist so steil, dass es eine wahre Meisterleistung ist, hier eine Strasse zu bauen. In unzähligen Kurven windet sich die Strasse hinunter zum Fluss und obwohl wir total verstreut die Strasse hinunterrasen, können wir doch immer mal wieder jemand ein paar Kurven weiter unten erkennen. Natürlich dauert der Downhill ziemlich lange aufgrund der vielen Fotostopps, aber das ist es absolut Wert!
Im Talboden angekommen müssen wir eine Entscheidung treffen, welche wir eigentlich schon lange getroffen haben… denn von hier aus haben wir drei Möglichkeiten weiter nach Süden zu fahren:
1. der asphaltierten Hauptstrasse weiter folgen
2. der Bikepacking-Route folgen, welche dem Canyon folgt, oder
3. einem alten Inka-Trail folgen, welcher uns zurück auf 4400MüM führt
Da wir die Abgeschiedenheit von dem Marañon Canyon vermissen und bei Option 1&2 Dörfer und somit Menschen und Lärm vorhanden sind, entscheiden wir uns für den Inka Trail. Dieser führt zwar noch durch eine Stadt hindurch, aber danach sollten wir für ca. 1.5 Tage keine Menschenseele mehr sehen – also los!
Am Nachmittag erreichen wir mit Conchocos die letzte Ortschaft vor dem Inka Trail. Schnell werden wir die besten Kunden an den Strassenständen und stopfen nochmals alles mögliche an Essen in uns hinein und geniessen anschliessend die Nachmittagssonne bei dem gerade stattfindenden Stierkampf. Wir sind in Bierlaune und können uns von den Festivitäten nicht losreissen. Der Stierkampf an sich ist dabei eigentlich noch das langweiligste, den die Einheimischen mit ihren traditionellen bunten Kleidern, die Dorftrunkenbolde sowie die Streiche der Kids sind das eigentliche Highlight dieses Nachmittages.
So fahren wir erst kurz vor Sonnenuntergang aus dem Dorf hinaus und finden, einmal mehr, den perfekten Campingplatz direkt am Fluss. Am Lagerfeuer tauschen wir lustige Reisegeschichten aus und als auch noch das allerletzte Stück Holz runtergebrannt ist, schickt uns die Kälte in den Schlafsack.
Der Aufstieg am nächsten Tag beschäftigt uns fast den ganzen Tag, denn aufgrund der Höhe und des Strassenzustandes kommen wir nur schwer voran. Aber bei einer solchen Aussicht besteht auch überhaupt keinen Grund zur Eile. Als wir über den Pass fahren, erstreckt sich ein Bergpanorama, welches so auch in der Schweiz stehen könnte. Vergletscherte Gipfel in der Ferne kündigen der Start der Cordillera Blanca an und zwischen Felsen glitzern dutzende Lagunen in der Sonne. Vor dem Wind geschützt hinter ein paar Steinmauern finden wir einen Platz zum campen und kochen in den letzten Sonnenstrahlen unser Abendessen auf dem Benzinkocher. Im Vergleich zum Vorabend können wir hier nicht noch lange miteinander quatschen, denn dafür ist es in dieser Höhe einfach zu kalt.
Der Inka Trail führt uns am nächsten Tag in einem sehr langen Downhill runter zur Stadt Sihuas, von wo aus es auf einer asphaltierten Strasse in Richtung Cordillera Blanca geht, die weisse Bergkette leuchtet uns bereits jetzt schon von weitem zu.
Mühsam kämpfe ich mich Meter für Meter weiter nach oben. Die Strasse unter meinen Rädern könnte schlechter fast nicht sein, denn die grossen Steine lassen immer mal wieder die Reifen durchdrehen, wodurch man zum Anhalten gezwungen wird.
Als ich vor 2 Stunden aufgewacht bin, wäre ich am liebsten liegen geblieben, denn mal wieder hat das peruanische Essen zugeschlagen und mich mit einer groben Magenverstimmung “beschenkt”. Nur habe ich hier keine Möglichkeit, denn ich befinde mich inmitten des Huascaran-Nationalpark welcher sich über fast das komplette Gebiet der Cordillera Blanca erstreckt und ich habe nur noch Lebensmittel bis heute Abend. Die nächste Ortschaft befindet sich eigentlich nur ca. 25 Kilometer entfernt, allerdings liegt dazwischen noch ein Aufstieg von 900 Höhenmeter zur Passhöhe auf fast 4800MüM. Der Sauerstoffmangel wird immer stärker und zu allem Übel ändert sich jetzt auch noch das Wetter. Schneeflocken tanzen vor meinem Gesicht und obwohl dies der erste Schneefall ist seit 2.5 Jahren, kann ich mich irgendwie nicht so ganz darüber freuen. Ich will nur noch über den Pass und raus aus dieser weissen Hölle. Nach 3.5 Stunden erreichen wir die Passhöhe, knipsen noch die obligatorischen Bilder und begeben uns auf den Weg hinunter.
Es gibt Tage an denen passiert nichts gutes und man hätte einfach nur im Bett bleiben sollen… heute ist ein solcher Tag – nein heute ist DER Tag an dem ich einfach hätte liegen bleiben sollen. Als wäre eine Magenverstimmung, der Uphill sowie das schlechte Wetter nicht schon genug gewesen, so wird es nun richtig übel. Es beginnt damit, dass der Reifen am Schutzblech streift. Nichts spezielles an sich, ist das doch schon mehrmals passiert und wahrscheinlich muss es wieder etwas gerade gebogen werden. Dass nun aber der Pfefferspray, welcher am Sattelrohr befestigt ist, links aus seiner Halterung gedrückt wird, ist neu. Zudem wird das Streifen am Schutzblech immer stärker, so dass ich es nicht mehr ignorieren kann… ich halte an, und fahre nicht mehr los. Nicht heute, nicht morgen und wahrscheinlich auch nicht in ein paar Wochen. Ich habe immer befürchtet dass dies eines Tages passieren könnte und habe mir immer gesagt, dass, falls es passiert, es wahrscheinlich das Ende der Reise darstellen wird da eine Reparatur nur schwer möglich ist. Nun, nach knapp 37’000 Kilometer und vier Kontinenten, ist es passiert und es lässt sich an dieser Stelle wo es passiert ist nicht reparieren – Rahmenbruch! Juan sammelt mich und Chocolate mit seinem Truck am Strassenrand auf und bringt mich zurück in die nächste Ortschaft. Die holprige Strasse sowie die zahlreichen Haarnadelkurven sind nicht gerade hilfreich für die Magenverstimmung, dies ist jedoch jetzt das kleinste Problem. Patagonien liegt nur noch wenige tausend Kilometer entfernt und ich muss eine Lösung finden es doch noch zu erreichen. Klar ist, es wird nicht mit Chocolate sein, aber evtl. mit Chocolate 2… oder sonst irgendwie. Nach 5.5h auf dem Beifahrersitz in dem blauen Lastwagen erreichen wir Yungay, das Dorf welches ich vor erst 2 Tagen verlassen habe. Ich checke in einem Hostal ein und mache mich sogleich mit dem verfügbaren WiFi auf die Suche nach einer Lösung des Problems.
Eigentlich wäre es das einfachste, die Sachen zu packen, den Bus nach Lima zu nehmen und von dort aus nach Hause zu fliegen. Aber wie bereits gesagt, Patagonien liegt jetzt schon fast zum Greifen nah… Ist es das Ende?
Alle Bilder von Peru HIER
Gefahrene Route: