Unter einer warmen Bettdecke in einem überdimensional grossen Bett mit tausenden von Kopfkissen und lichtdichten Vorhängen aufzuwachen, das wäre soooo schön. Mein Morgen könnte jedoch von dieser Vorstellung nicht weiter entfernt sein. In einem altersschwachen Nachtbus welcher völlig überfüllt ist, erreiche ich das myanmarische Grenzstädchen Myawaddy mit den ersten Sonnenstrahlen. Die Höllenfahrt nahm vor 10 Stunden seinen Anfang in Yangon und liess mich exakt 10 Minuten schlafen. An mehr war nicht zu denken, denn ersten ist die Strasse eine Buckelpiste, zweitens waren alle Sitzplätze inkl. Mittelgang besetzt und drittens verpasste mir das Kleinkind auf dem Schoss seiner Mutter in regelmässigen Abständen einen Fusstritt. Ich frage mich echt wie Backpacker dies monatelang aushalten…
Entsprechend ausgeschlafen trete ich hinaus ins Freie, sortiere mein Gepäck, schraube Chocolate wieder zusammen und ab geht’s zur Grenze.
Genau 1463 Kilometer trennen mich vom nächsten Ziel, die Urlaubsinsel Koh Lanta im Süden von Thailand. Dort möchte ich mehrere Tage ausspannen, bevor es dann weiter nach Malaysia geht. Also lautet die Rechnung wie folgt… je schneller ich in Koh Lanta bin, umso länger kann ich dort in der Hängematte liegen! Mathematisch gesehen müsste dies in 14-15 Tagen zu schaffen sein, denn 100 Kilometer pro Tag sind eigentlich gut zu bewältigen. Doch gleich schon am ersten Tag stehen viele Hügel auf dem Programm und so bleibt der Tacho Abends bei nur etwas mehr als 70 Kilometer stehen. Dafür werde ich mit einer Wahnsinns-Aussicht belohnt, denn auf der Bergspitze gibt es doch tatsächlich einen Campingplatz!
Der nächste Tag beginnt etwas später, denn ganz in der Nähe steht noch der grösste Krabach Baum von Thailand und so etwas muss man sich ja wohl schon nach anschauen gehen. Dass dieser allerdings im Tal unten steht und man somit mehrere hundert Höhenmeter erst runterklettern muss, nur um anschliessend die ganze Strecke wieder hochzulaufen hat natürlich niemand gesagt. Aber so ist wenigstens der Frühsport auch schon erledigt. Wer noch nie einen Krabach gesehen hat, so gross ist dieser ungefähr:
Mit dem Kopf voller Bäume starte ich wenig später zum wohlverdienten Downhill in Richtung Tak. Dort geht es dann endlich weg vom Highway und auf kleinere wenig befahrene Strassen. Bereits bei der ersten Ortschaft wird mir dann schnell bewusst, dass es auch in Thailand ein Wasser Festival gibt. Es heisst hier zwar anders, aber ansonsten hat es die gleiche Eigenschaft wie es das auch in Myanmar hat – man ist von früh bis spät komplett durchnässt. Damit es auch noch etwas lustiger ist, wird das Wasser mit Babypuder vermischt, woraus dann eine dickflüssige helle Masse wird welche den ganzen Körper bedeckt. Das hört sich hier alles nicht so wirklich nach Spass an, ich finde dieses Fest jedoch mal eine schöne Abwechslung zum «normalen» Radfahrertag und zudem auch gleich eine Möglichkeit mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen. Wer braucht schon Sprachkenntnisse wenn man einen Eimer Wasser sowie Babypuder hat?
Nach einer letzten Dusche auf der Strasse finde ich einen Schlafplatz in einer Schule und komme nach fast 120 Kilometer endlich etwas zur Ruhe. Als am späteren Abend ein Unwetter aufzieht bringt mir ein Anwohner sogar noch eine Bettdecke vorbei, welche ich aber dankend ablehne – hallo, es sind hier noch immer über 30 Grad und mir läuft der Schweiss in Strömen runter.
Über völlig verwinkelte Hinterstrassen bahne ich mir in den nächsten Tagen den Weg weiter in Richtung Süden. Die ersten 650 Kilometer führen noch übers Land, die restlichen mehr oder weniger direkt am Meer entlang. Die Temperaturen im April sind unerträglich heiss und so kann ich es kaum erwarten endlich das Meer am Horizont zu erblicken. Aber die Strecke zieht sich unendlich in die Länge. Dafür werde ich jeden Abend mit der thailändischen Gastfreundschaft verwöhnt. Eines Abends erreiche ich in bereits völliger Dunkelheit ein kleines Dorf, in welchem es gemäss Karte eine Schule geben soll. Da Schulen immer über fliessendes Wasser verfügen, ist eine Dusche dort garantiert und auch als Schlafplatz eignen sich diese immer sehr gut. Als ich jedoch keine Schule finden kann, mache ich es mir vor dem 7-eleven gemütlich, worauf ich kurz darauf von einer Frau angesprochen werde. Sie sei die Schuldirektorin und würde mir gerne einen Schlafplatz in der Schule anbieten! Zufälle gibt es teilweise…
An einem anderen Abend werde ich von Mönchen in den Tempel eingeladen, wo ich kurz darauf von den «Kinder-Mönchen» belagert und mit Geschenken überhäuft werde (die Menge an Sojamilch die sie mir gaben reichte bis nach Koh Lanta). Es scheint, als gäbe es in Thailand immer irgendeinen super Schlafplatz, auch wenn man morgens noch nicht weiss wo man Abends schlafen wird.
Und dann, kommt endlich das Meer in Sicht! Und mit ihm auch hässliche neue Betonbauten von globalen Hotelketten. Auf den restlichen Metern bis zum Meer stehen Wellblechhütten Wand an Wand mit Luxusresorts. Dass es in Thailand Armut gibt musste ich schon oft sehen, jedoch immer weit entfernt von touristisch erschlossenen Gebieten. Mit einem Kopfschütteln versuche ich die Missstände aus meinem Kopf zu verdrängen und suche einen Schlafplatz. Direkt am Strand ist hier nicht möglich, denn dieser ist fest in den Händen der Luxusresorts, welche jeden Quadratmeter mit Securitys überwachen. So schlafe ich schlussendlich unter einem Dachvorsprung einer Bushaltestelle am Stadtrand… den Strand gibt es dann morgen!
Und genau so kommt es dann auch. Bereits am frühen Nachmittag erreiche ich einen Nationalpark mit Meeranschluss und Campingplatz am Strand. In den Bäumen über mir tummeln sich wilde Affen und der Sand unter den Füssen ist so fein wie Puderzucker. Ja, genau so habe ich mir das in etwa vorgestellt!
Die nächsten Tage führen mich weiter entlang der Ostküste Thailands, wobei ich immer wieder auf menschenleere Sandstrände treffe, welche so selbst für ein Postkartenmotiv viel zu kitschig wären. In regelmässigen Abständen ist auch immer mal wieder etwas Zivilisation auszumachen, damit ich bezüglich Kaffee, Wasser und Essen niemals auf dem Trockenen sitze. Tagelang geniesse ich diesen Mix aus Traumstränden und makellosen Strassen, bis auf einmal ein anderer Reiseradler vor mir auftaucht. Jonathan kommt aus Kanada, ist mit seinem Rad nach Bristol geflogen und von dort aus nach Osten losgefahren. Bei einem Kaffee tauschen wir Erfahrungen und Erlebnisse aus, müssen uns allerdings jedoch beeilen, da er das Schiff nach Koh Tao erwischen muss. So trennen sich unsere Wege bereits wieder wenige Stunden später, wir verabreden uns aber noch für Kuala Lumpur.
Nach 11 Tagen radfahren erreiche ich Surat Thani worauf es nun einmal durchs Land geht zur Westküste wo Koh Lanta liegt.
Dröhnende Flugzeugturbinen über mir kündigen nicht nur den naheliegenden Flughafen von Krabi an, sondern auch den Beginn eines weiteren touristischen Zentrums von Thailand. Vor mir liegt die Westküste und somit auch viele Ferieninsel und Städte wie Phuket. Von hier geht es auf dem Highway auf die letzten Kilometer nach Süden. Dann kommt endlich die langerwartete Abzweigung nach Koh Lanta. Die letzten Tage haben extrem an meinen Kräften gezerrt und völlig ausgelaugt fahre ich nun auf der Hauptstrasse dem Ziel entgegen. In nur 13.5 Tagen habe ich die komplette Strecke bewältigt und dabei keinen einzigen Ruhetag eingelegt. Dieser Stress ist eigentlich nicht das was Tourenradfahren auszeichnet, aber zur Ausnahme war ja auch mal das Ziel das Ziel 😉
Der rauchende Dieselmotor von der Autofähre besiegelt endgültig meine Ankunft auf Koh Lanta und schon fast triumphierend radle ich über die Hauptstrasse direkt zu meinem Bungalow am Strand. Noch kurz das Necessaire an den rostigen krummen Nagel hängen, die Badehose anziehen und Tuch über die Schulter schmeissen. Wenn mich jemand sucht, ich bin am Strand! J