Am Set von Tomb Raider – Angkor
Was wäre ein Aufenthalt in Kambodscha ohne den Besuch der Tempelanlage Angkor, vor den Stadttoren von Siem Reap? Also setzte ich mich frühmorgens auf den Ledersattel und fahre durch die noch kühle Morgenluft durch die Stadt nach Norden. Es fühlt sich gut an mal zur Abwechslung ohne die schweren Packtaschen unterwegs zu sein und auf den ersten Metern fahre ich noch wie ein kleiner Schuljunge, welcher gerade das Rad von seinem grossen Bruder ausgelehnt hat. Total wacklig und unsicher. Im dichten und chaotischen Strassenverkehr von Siem Reap ganz sicher keine gute Sache, aber ich gewöhne mich schnell an das leichte Rad und so sind auch die ersten 5 Kilometer schnell zurückgelegt. Tatsächlich treffe ich noch auf Bernard aus Frankreich, welcher mit seinem Reiserad ebenfalls in Richtung Osten unterwegs ist. Wir haben uns schon zwei Tage vorher auf der Strasse getroffen, genau dort, wo ich den 10‘000er geknackt habe. Also fahren wir zusammen bis zum Eingang von Angkor, wo es allerdings für mich erstmal Endstation heisst. Denn dort werden zwar Tickets kontrolliert, jedoch keine verkauft. Dies kann man nur im Osten von Siem Reap, über 10 Kilometer entfernt. Ich kapiere diese Logik überhaupt nicht, denn normalerweise kann man ja überall auf der Welt Tickets am Eingang kaufen, oder zumindest auf dem Weg dorthin. Aber es nützt ja alles nichts, also wieder umkehren und diese ominöse Ticketbox suchen gehen. Nach ganzen 25 Kilometern Umweg auf dem Tacho und einem gültigen Dreitages-Pass in der Tasche erreiche ich 1.5h später zum zweiten Mal an diesem Tag den Eingang von Angkor. Endlich darf ich passieren und die Khmer Geschichte live erleben. Dutzende Tempelanlagen warten darauf erkundet zu werden und ich schon auf den ersten Metern sehe ich alte Sandsteine hinter dichtem Dschungel hervorragen. Um jedoch möglichst viel aus dem Dreitages-Pass rauszuholen, habe ich mir eine ungefähre Tour zurechtgelegt, mit welcher ich den gröbsten Touristenströmen ausweichen kann. Denn normalerweise erkundet man die Gegend mit einem Bussen oder Tuk Tuks, welche alle mehr oder weniger zu einer ähnlichen Zeit an den jeweiligen Tempeln ankommen, da dann z.B. gerade das Licht am Besten ist, oder der jeweilige Tempel einfach auf der Strecke liegt. Mit dem Fahrrad habe ich jedoch den Luxus, selbst auszuwählen wo es hingehen soll – ganz so wie sonst beim Radreisen.
Ich starte beim so ziemlich nördlichsten Tempel, welcher nun schon ganze 20 Kilometer von Siem Reap entfernt ist, und arbeite mich über den östlichen Ring zurück nach Süden. Den Sonnenuntergang gibt es dann bei einem Tempel, welcher den umgebenden Dschungel weit überragt und somit für gute Fotomotive sorgt. Allerdings werde ich dort wieder von den Touristenströme heimgesucht, denn bei vielen Bustouren ist genau dieser Tempel für den Sonnenuntergang im Programm. Etwas genervt verlasse ich die Szenerie und laufe im Slalom zurück auf die Strasse, wobei ich höllisch aufpassen muss, dass ich nicht von einem Selfie-Stick aufgespiesst werde 😉
Zurück in Siem Reap geht’s an die Pub Street, welche quasi die Khao San Road von Kambodscha ist. Also ganz viele Bars, Restaurants, Massage-Studios, Shops und vieles mehr und immer ein guter Ort um Leute kennenzulernen.
Die Pub Street war mal wieder super, und nur sehr mühsam quäle ich mich lange vor den ersten Sonnenstrahlen aus dem Bett. Ganze drei Kaffees benötige ich um einigermassen weiter als 4m sehen zu können und somit mit Chocolate die lange Strecke zum berühmtesten Tempel, Angkor Wat, zurückzulegen. Das Bild von dem Tempel vor dem Sonnenaufgang ist wohl das berühmteste Fotomotiv vom ganzen Land und prägt sogar die Landesfahne. Also nichts wie hin!
In der Dunkelheit sind die vielen Schlaglöcher schwer auszumachen und so brettere ich mehr oder weniger vorsichtig über die Strasse. Zahlreiche Tuk Tuks überholen mich und auch der eine oder andere gut gefüllte Tourbus dröhnt an mir vorbei. Wäre ja gelacht gewesen, wenn ich der einzige Tourist mit dieser Idee gewesen wäre. Vor dem Tempel selber ist dann schon fast eine Stimmung wie auf einem Festival. Hunderte Menschen quetschen sich über die alte Steinbrücke nach Osten, wo nach einem Eingangstor der wohl bekannteste Tempel der Welt die Besucher in Staunen versetzt. Wobei jetzt noch niemand staunt, da in Dunkelheit noch nicht viel von den alten Gemäuern zu sehen ist. Die besten Plätze direkt vor einem kleinen Teich sind jedoch schon besetzt, da die aufgehende Sonne darin den Tempel wunderbar spiegelt und so das berühmte Fotomotiv wiedergibt, welches auf sämtlichen Postkarten und Souvenirs abgedruckt ist. Ich entschliesse mich lieber direkt in den Tempel zu gehen, da man von dort aus bestimmt auch gute Bilder schiessen kann. Tatsächlich verbringe ich gute zwei Stunden im Inneren des Gebäudes, bevor dieses von tausenden Menschen besucht wird. In dieser Zeit konnte ich die zahlreichen Basreliefs in der äusseren Galerie bestaunen und auch viele andere Ecken, für welche man normalerweise lange Zeit anstehen muss, anschauen. Das Bild vom Tempel vor dem Sonnenaufgang und direkt vor dem Teich lade ich mir dann vom Internet runter 😉
Die Tage in Angkor vergehen wie im Flug und am Schluss konnte ich 22 Tempel besichtigen, was natürlich nur einem Bruchteil der gesamten Anlage entspricht. Dennoch bin ich glücklich und vor allem froh wieder in die Pedalen treten zu können.
Goodbye and Hello!
Noch ein letztes westliches Frühstück im Café um die Ecke und dann geht’s los. Rührei, Baguette, Tomaten und Gurken sollen mir helfen die nächsten paar Stunden bei einer unerträglichen Hitze durchzustehen. Vor mir liegt der National Highway No. 6 mit seinem hirnrissigen Verkehr, sowie aber auch die eine oder andere staubige Landstrasse.
Nach guten zwei Stunden verlasse ich den Highway und fahre auf einer kleineren aber gut asphaltierten Strasse nach Süden in Richtung Tonle Sap, einer der grössten asiatischen Seen. Dort befindet sich eine Floating Village, also ein Dorf, welches mehr oder weniger auf dem Wasser schwimmt und praktisch ausschliesslich vom Fischfang lebt. Normalerweise mietet man sich ein Boot dafür, aber ich versuche mal einfach mit dem Rad so weit wie möglich zu kommen. Die Gegend um mich ändert sich von Reisfeldern zu einem Urwald, wobei es scheint, dass dieser keinen wirklichen Boden hat, denn alles ist vom Wasser überflutet. Ich bin also schon mitten im Tonle Sap, obwohl es so aussieht wie in einem Wald. Dass dies kein normaler Wald ist merkt man schon am Geruch, denn es „fischelet“ doch ganz gewaltig. Auch die Strasse ändert sich von dem asphaltierten Zustand in einen typischen Landweg. Rechts und links erscheinen nun wieder zahlreiche Hütten auf Pfählen und anhand der Höhe kann sich ungefähr vorstellen, wie hoch das Wasser hier steht wenn Regenzeit ist. Die ersten Hütten welche ich passiere stehen aber bereits vollkommen im Trockenen und so sind bereits die ersten Hängematten und Hühnerställe zwischen den Pfählen aufgebaut. Wie überall in Kambodscha sind auch hier die Kinder überaus freundlich, wobei mir auffällt, dass diese nicht mehr „Hello“ sondern „Goodbye“ rufen. Das ist sehr irritierend, denn eigentlich komme ich doch erst gerade an. Weitere drei Kilometer weiter ist dann endgültig Schluss mit dem Fahrrad, denn der Zustand der Strasse wird so schlecht, dass ich es Chocolate nicht mehr zutrauen möchte (auch wenn sie dies wahrscheinlich locker weggesteckt hätte). Dafür finde ich einen kleinen Hügel von welchem ich super Fotos schiessen kann. Vor mir führt eine kleine Passage durch die zahlreichen Häuser, welche nun auch komplett im Wasser sind, und die ganze Szenerie erinnert stark an Venedig – ein Venedig mit blauen Wellblechdächern, Häuser aus Holz und vielen Pflanzen im Wasser. Da es bereits schon wieder Mittagszeit ist und somit viel zu warm zum Weiterfahren, spanne ich die Hängematte auf und gönne mir erstmal etwas Ruhe. Auf dem Rückweg wird mir dann auch klar, wieso die Kids immer „Goodbye“ anstatt „Hello“ gerufen haben. Die Boote, welche die Touristen durch das Dorf fahren, legen ziemlich genau dort an wo ich die Hängematte aufgebaut habe, worauf es danach zu Fuss durch das Dorf zum Busparkplatz geht. Der Hinweg wird jedoch komplett auf dem Wasser und somit ohne Kontakt zur Bevölkerung zurückgelegt. Dadurch kennen die Kids auch nicht das Wort „Hello“.
Nachdem ich wieder den Highway erreicht habe, geht es dann noch bis zu der Stadt Chi Kraeng wo ich ein wirklich – sorry – abgefucktes Gästehaus finde. Dass die Besitzerin dafür noch 5$ verlangt ist nur noch frech, und gäbe es noch andere Möglichkeiten, so würde ich auf der Stelle das Gästehaus wechseln. So bleibt mir jedoch nichts anderes übrig, als den Preis auf wenigsten 3.5$ runterzuhandeln.
Interessante Bekanntschaften auf der Strasse
Es gibt mal wieder Reis zum Frühstück. Angereichert mit einem Ice Coffee, denn dieser schmeckt bei diesen Temperaturen einfach besser. Die Nacht war kurz, denn in meinem Zimmer hat sich von Moskitos bis Mäusen so ziemlich alles zu einer Standing Ovation versammelt, und somit nicht gerade einen ruhigen Schlaf zugelassen. Umso mehr freue ich mich über das bisschen Koffein von dem Ice Coffee.
Die Strasse bleibt flach und während ein Reisfeld nach dem anderen vorbeizieht, geniesse ich einen fast 4-stündigen Mix vom letztjährigen Burning Man (ja, nächstes Jahr werde ich definitiv am Start sein!). Als ein Landrover vor mir hält, und ich auf Schweizerdeutsch angesprochen werde, erkenne ich vorerst die Sprache gar nicht. Erst als der Fahrer weiterspricht, erkenne ich seinen Zürcher Dialekt und auch das Nummernschild lässt keinen Zweifel zu. Unglaublich so weit weg von zuhause ein Schweizer Kennzeichen zu sehen. Manche fliegen zum kiten an irgendeinen Strand, andere fahren die ganze Strecke bis nach Südostasien mit dem Auto… crazy! Tom und Diana sind vor einiger Zeit in der Schweiz aufgebrochen und alles Überland bis nach Kambodscha gefahren – immer auf der Suche nach einem schönen Strand und vor allem Wind zum kiten. Ich geniesse es, mal wieder Schweizerdeutsch zu sprechen und Reiseerlebnisse auszutauschen. Tom füllt mir sogar noch meine fast leere Wasserflasche auf – merci nomol! Wer die Reise von den beiden anschauen resp. mitverfolgen möchte, kann dies hier tun: http://www.tourtuga.ch
Kurze Zeit nach der Verabschiedung von Tom und Diana treffe ich noch auf einen entgegenkommenden Reiseradler. Wenn der Tag schon verrückt ist, dann aber so richtig… Fernando sitzt schon seit 19 Jahren im Sattel und hat schon so ziemlich jedes Land befahren. In Kambodscha ist er bereits zum zweiten Mal, nachdem er vor etlichen Jahren das letzte Mal hier unterwegs war. Vieles hat sich geändert, und gerne würde ich noch viele Stunden mit ihm reden. Heute steht allerdings noch ein Interview mit Radio Top an, weswegen ich etwas unter Zeitdruck stehe um die nächste Ortschaft mit Internetcafé zu erreichen. Also verabschiede ich mich von der Radfahrer-Legende (zumindest in meinen Augen) und heize weiter die Strassen entlang, wobei das Wort „heizen“ passender nicht sein könnte. Es ist bereits schon wieder nach Mittag und die Sonne brennt unterbitterlich auf mich herunter. An den Oberarmen bilden sich zahlreiche winzige Hitzebläschen und der Schweiss fliesst in Strömen. Doch nach etwas mehr als 80 Kilometer erreiche ich auch das heutige Tagesziel und quartiere mich in einem wirklichen schönen Guesthouse ohne Viecher und fleckiger Matratze ein. Das WLAN ist sogar so gut, dass es für das Skype-Interview mit Radio Top ausreicht, und so kann ich dieses bequem vom Bett aus machen. Wer die Beiträge nachhören möchte, kann dies demnächst hier tun!
Relativ unspektakulär geht es weiter auf dem Highway nach Phnom Penh, wobei ich noch eine weitere Nacht irgendwo in einem kleineren Dorf mit einem einzigen Guesthouse verbringe. Die Strasse ist gesäumt von endlosen Reisfeldern, lachenden Gesichtern, überaus freundlichen Menschen, welche auf zahlreichen knatternden Maschinen unterwegs sind, von welchen man teilweise nicht weiss, ob sie das nächste Schlagloch noch überleben werden. Überdimensional grosse Anhänger werden von kleinen Motorscootern gezogen, Kleinbusse sind mit Metallriemen ummantelt damit diese nicht wortwörtlich platzen, manche Leute frittieren bei fast 80km/h einen Fisch auf ihrem dreirädrigen Motorrad und irgendwo dazwischen fahren kleine Kinder mit viel zu grossen Fahrrädern durch dieses ganze Chaos und winken mir freundlich zu…. Ich liebe reisen!