Fotos weiter unten!
Nach zwei Ruhetagen in Varzaneh, bin ich nach Yazd weitergefahren. Dazwischen gab es eine Übernachtung in einer verlassenen Karawanserei mitten in der Wüste. Den Beitrag dazu könnt ihr euch hier nachlesen.
Nach diesem ausserordentlich schönen Erlebnis in der Karawanserei geht es über einen Schotterweg weiter durch die endlos scheinenden Steppen. Nach knapp 25 Kilometer erreiche ich endlich mal wieder so was ähnliches wie Zivilisation, auch wenn diese nur aus einem guten Dutzend Häuser besteht. Eigentlich würde ich gerne etwas zu essen kaufen, allerdings beerdige ich meine Pläne schnell wieder nachdem mir klar wird dass es hier absolut gar nichts zu kaufen gibt. Zufällig macht gerade ein fahrender Händler Halt, dieser verkauft aber nur Sachen wie Staublappen (kann man bestimmt brauchen in der Wüste), Schwämme, Reinigungsmittel, Bügelbretter und sonstige Haushaltsgegenstände. Den Frauen scheint diese Abwechslung zu gefallen und so versammeln sich diese zahlreich um den kleinen Transporter. Für mich gibt es aber definitiv nichts zu kaufen hier, und so mache ich mich weiter durch die Steppe. Der Pfad ändert sich wieder zu einer gut asphaltierten Strasse und so ist es auch mal wieder möglich etwas schneller zu fahren. Die Gegenanstiege lassen natürlich nicht lange auf sich warten, getrieben von einem leichten Hungergefühl und ohne Ahnung wann die nächste Zivilisation kommt, nehme ich jedoch auch diese mit vollem Elan.
Irgendwo weit draussen finde ich dann tatsächlich ein kleines Dorf, kaufe etwas ein und beginne im Park zu kochen. Zwei Männer vermessen gerade die Gegend und einer spricht mich in perfektem Englisch an und erklärt mir, dass dieser Park den geografischen Mittelpunkt vom Iran darstellt! Wow, habe ich ja mal wieder gut getroffen! Nachdem dann auch noch diverse Schulklassen, das Altersheim sowie die Polizei (wollten natürlich meinen Pass sehen) vorbeischauen, wird es wieder Zeit die restliche Strecke nach Yazd unter die Räder zu nehmen.
Wüstenstadt Yazd
Es ist bereits stockdunkel als weit entfernt am Horizont die ersten Lichter von der Wüstenstadt Yazd auftauchen. Mein Tacho zeigt bereits jetzt über 130km an, und es sind bestimmt noch 15km bis zur Innenstadt. Was mir als allererstes auffällt in Yazd ist, dass dies die wohl touristischste Stadt vom Iran ist. An jeder Ecke gibt es Hotels, Souvenirläden und Reisebüros. Auch Backbacker-Hostels gibt es eine Menge und somit natürlich auch günstige Preise. Ich quartiere mich im Orient Hotel ein, welches über einen riesigen Innenhof und einen unterirdischen Dormitory verfügt. Während einem Ruhetag geniesse ich die Altstadt welche UNESCO Kulturerbe ist, und verliere mich dabei in den unzähligen kleinen Wegen welche sich wie ein kleines Labyrinth durch die Stadt ziehen. Viele Wege sind überdacht und je weiter man sich in dieses Gebilde begibt, desto länger werden diese Dächer. Die Sonne hat schlussendlich fast keine Chance mehr, und obwohl es mitten am Tag ist, geniesse ich absolute Dunkelheit bei angenehmen 20 Grad. Unter mir ziehen sich die sogenannten Quanats durch die Stadt – unterirdische Flüsse welche die Stadt bis heute mit Wasser versorgen. Diese sind aber praktisch nie sichtbar, ausser man begibt sich für ein paar Dollar auf eine „Underground-Tour“, welche ich mir aber erspare. Mir reichen die oberirdischen Wasserreservoirs, welche anhand der „Badgirs“ sehr gut erkennbar sind. Das System ist simpel wie aber auch genial – und natürlich schon hunderte von Jahren alt. Hohe Türme (Badgirs) fangen den lauwarmen Wüstenwind ein, leiten diesen durch einen Kanal in welchem viele kleine Wasserrohre mit kaltem Wasser sind. Dadurch kühlt sich der Wind ab und kühlt somit das Wasser weiter unten im Reservoir. Das funktioniert bis heute so, und kann im ganzen Iran entdeckt werden. Entsprechend besteht die Skyline von Yazd nicht aus hässlichen Wolkenkratzern, sondern aus vielen Badgirs. Aber genug persische Architektur an dieser Stelle. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, radfahren!
Zein-O-Din Caravansary
Ich verlasse Yazd zwei Nächte später in südliche Richtung. Stadtverkehr natürlich wie immer schrecklich aber machtbar und die Leute am Strassenrand sind meine grössten Fans wodurch ich immer wieder für Selfies stehenbleiben muss. Von Yazd zum persischen Golf gibt es nicht mehr viele Auswahlmöglichkeiten an Strassen. Eigentlich keine, denn nur ein einziger grosser Highway führt an mein Ziel. Entsprechend ist der Verkehr am Anfang absolut fürchterlich, bessert sich aber je weiter südlich ich komme. Nach 65km steht ein Stück Geschichte am Strassenrand und würde man im falschen Augenblick blinzeln, so würde man dies gar nicht wahrnehmen. Rechts erhebt sich die Zein-o-Din Caravansary, eine runde Karawanserei welche vor ein paar Jahren zum Hotel umgebaut wurde. Alles absolut liebevoll gestaltet, super Essen, super Betten und super Preise! Gemäss Lonely Planet kostet eine Nacht 70€. Also ungefähr 7mal mein Tagesbudget im Iran! Naja, anhalten und nachfragen kann man ja mal, denn im Notfall kann ich ja noch immer das Zelt daneben aufbauen und for free schlafen.
Der Hotelmanager ist eine ausserordentliche nette Erscheinung und auch seine Worte sind wie Balsam für das Radfahrer-Herz, denn alle die den Schutz der Karawanserei benötigen, dürfen gratis übernachten – besonders Radfahrer! Natürlich bezahle ich etwas für die Übernachtung, jedoch aber nicht den normalen Touristenpreis. Somit geniesse ich authentische persische Küche, Kontakt mit anderen Touristen (sogar mit Schweizer), den Sternenhimmel auf dem Dach und natürlich ein bequemes Bett. Das Erlebnis in der verlassenen Karawanserei zwischen Varzaneh und Yazd war natürlich einiges intensiver, aber hier kann ich dafür ohne Käfer und sonstiges im Zimmer schlafen.
Vom Gefrierschrank in die Sauna
Nach einem ausgiebigen Frühstück werden die anderen Touristen von den Bussen abgeholt und ich schwinge mich wieder aufs Rad. Die Strecke verläuft mehr oder weniger ziemlich langweilig auf dem verkehrsreichen Highway und gegen Abend erreiche ich Anar wo ich in einem leerstehendem Zimmer schlafen kann. Die Temperaturen sinken Nachts auf unter 10 Grad und da ich nur einen Sommer-Schlafsack dabei habe, bin ich froh in dem Zimmer übernachten zu können.
Die weitere Strecke führt mich über einen Pass mit mehr als 2100m und dann zurück in die Zivilisation wo ich eigentlich gerne im Stadtpark übernachten möchte. Dort angekommen werde ich allerdings von einem Jugendlichen angesprochen, welcher über alles möglich quatschen will. Nach fast 2h stehen wir irgendwo auf der Strasse wo er von seinem Vater abgeholt wird und ich realisiere dass der Typ eigentlich die ganze Zeit nur Bullshit gequatscht hat und mich abgehalten hat vom duschen und Zelt aufstellen. Hätte ich mir also auch sparen können aus Frust fahre ich noch etwas weiter. Ich finde glücklicherweise auch in dieser Nacht wieder ein Zimmer an einer Raststätte, welches ich mir aber mit einem LKW-Fahrer teilen muss. Am nächsten Tag ist Sonntag und somit Ruhetag. Heisst für mich ausschlafen (9 Uhr) und „nur“ 50km radeln, denn das Tagesziel ist das iranische Kappadokien „Meymand“. Ich geniesse die zahlreichen Felsenwohnungen und werde sogar noch von einem einheimischen nach Hause eingeladen. Schlafen tue ich allerdings im Zelt im Park, und dank einer warmen Decke erfriere ich dabei auch nicht.
Ab Meymand verliere ich eigentlich täglich einige Höhenmeter bis schlussendlich das Meer in Bandar Abbas sichtbar wird. Dazwischen passiere ich noch die etwas grösser Stadt „Sirdjan“ in welcher ich tatsächlich mein Zelt neben dem örtlichen Drogenplatz aufstellen möchte und somit mitten in der Nacht den Platz tausche. Nach dieser Stadt wird es hügelig und die Landschaft nur noch spektakulär. Der Highway verläuft dabei aber glücklicherweise relativ flach und abgesehen von kleineren Steigungen gibt es keine grosse Hindernissen. Am zweitletzten Tag bevor ich Bandar Abbas erreiche ist es bereits so warm, dass an Schlafen im Zelt nicht mehr zu denken ist. Somit gibt es eine Nacht unter klarem Sternenhimmel, was aber auch noch immer etwas zu warm ist. Als am nächsten Morgen dann auch noch die Polizei auf einem Motorrad auftaucht wird es für mich definitiv etwas zu heiss. Diese verstehen die Welt nicht mehr, weil ein Tourist mitten in der Wildnis schläft und dann auch noch mit dem Fahrrad von einem so weit entfernten Land hierher geradelt ist. Nachdem wir aber alles geklärt haben, darf ich die restlichen 50km nach Bandar Abbas unter die Räder nehmen und nach etwas mehr als 2 Monate sehe ich endlich wieder Meer!
Nun brauche ich eigentlich nur noch 2 Sachen: Eine Ticket für das Schiff nach Dubai und ein Hotelzimmer mit Klimaanlage. Das zweite finde ich mit Hilfe von Einheimischen innert wenigen Minuten, das zweite kann erst morgen erledigt werden, da es Freitag ist und somit niemand arbeitet. Den Abend verbringe ich am Strand, welcher zwar leider total zugemüllt ist, aber dafür viele kleine Marktstände bietet. Zudem kann super Wasserpfeife geraucht werden, während das Meer vorne vor sich hinrauscht.
Ein Schiff wird kommen…
Am nächsten Morgen geht es in das Büro von dem Schiffbetreiber nach Dubai. Ich habe online viele Horrorgeschichten von anderen Reisenden gelesen und bin eigentlich auf das schlimmste vorbereitet. Vor allem was den Preis für das Fahrrad angeht, da ein Motorrad erst ab 200$ aufwärts mitgenommen wird und mein Fahrrad mit fast 60kg auch schon fast das Gewicht von einem leichten Motorfahrzeug erreicht. Mein Plan ist es, das Ticket für das Schiff von Montag zu kaufen wobei ich noch etwas Zeit habe um den Preis runterzuhandeln. Der Mann im Büro fragt als allererstes nach meinem Pass, welcher allerdings im Hotel ist. Dann meint er, dass er den Pass nun doch nicht braucht da ich ohne Motorfahrzeug reise. Anschliessend geht alles ganz schnell… er händigt mir einen Zettel mit arabischen Zeichen aus und sagt dass ich heute Abend um 6 Uhr am Hafen sein soll da das Schiff um 9 Uhr losfährt. Wie bitte? Es geht heute los? Und ach ja… das Fahrrad kostet nix! Yeah!!!!! Also schnell zurück zum Hotel, alles packen auschecken und los geht’s!
Der Hafen ist ein Paradies für Chaoten und solche die es gerne hektisch mögen. Zudem gibt es ein paar Fettnäpfchen in welche man besser nicht hineintritt. Zum einen wäre da der militärische Bereich direkt daneben. Erwischt man den falschen Eingang, findet man sich im Gefängnis wieder…
Es läuft aber natürlich alles gut, denn sonst könntet ihr den Bericht hier nicht lesen. Ich treffe auf andere Reisende und unter anderem auf Aldo, einen Radreisenden aus Frankreich. Er hat fast die gleiche Route wie ich, fährt allerdings noch bis zum Oman und will mit dem Schiff von dort aus nach Indien. Der Rest verläuft ähnlich wie meine Route. Vielleicht sieht man sich ja auf einmal in einem anderen Land wieder.
Der CheckIn dauert ganze 4 Stunden wobei ich eigentlich nur rumstehen und nix machen muss. Nicht mal die Taschen werden kontrolliert. Um 22:30 Uhr dröhnen die Motoren auf und langsam verlasse ich den Hafen von Bandar Abbas und somit den Iran. Die letzten 7 Wochen hier waren unglaublich und so viel ist passiert. So viele neue Freunde, so viele Erlebnisse, so viele Kilometer in der Wüste, so viele Sternschnuppen… ein Land in das ich bestimmt zurückkehren werde! Aber vorerst freue ich mich auf Dubai und somit offenes Internet und vielleicht das eine oder andere Bier.
Das Schiff schlängelt sich durch hunderte von Öltanker, welche überall verstreut im persischen Golf vor Anker liegen und so erreiche ich pünktlich am nächsten Morgen um 9 Uhr Dubai. Hier geht das Spiel nochmals von vorne los, und so dauert der Check Out ebenfalls 4 Stunden inkl. Pass- und Taschenkontrollen. Aldo und ich dürfen allerdings mit dem Rad vom Schiff zur Grenzkontrolle durch den Hafen fahren, was eine ganz lustige Abwechslung war. Die Gepäckkontrolle wäre wahrscheinlich in weniger als einer Stunde zu schaffen, da die Leute aber alles mögliche mit dem Schiff transportieren und es hier anscheinend keine Gewichtsgrenze gibt, haben Einzelreisende teilweise über 200kg Gepäck dabei!
Zeitmaschine Schiff
Als ich durch den Ausgang trete und durch die Sonne blinzle, muss ich erstmal stehenbleiben und tief durchatmen. Irgendwas stimmt hier nicht! Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht! Es ist nicht so, dass ich am falschen Ort wäre oder so, sondern eher in der falschen Zeit. Ich könnte schwören als ich das Schiff gesehen habe, dass dieses wie ein Schiff und nicht wie eine Zeitmaschine ausgehen hat. Aber dennoch hat mich dieses Schiff anscheinend irgendwie 40 Jahre in die Zukunft katapultiert… ich warte sehnsüchtig darauf dass ein Doc Brown an meiner Seite erscheint und schreit „Martin, grosser Gott!“, doch dieser erscheint nicht und so radle ich mit Aldo los in Richtung Stadtzentrum. Dubai überfordert mich schon auf den ersten 20 Metern… moderne, grosse und teure Autos, Wolkenkratzer welche alle nicht älter als 20 Jahren sind und zu hunderte um mich herum in den Himmel ragen, Luxushotels für echt reiche Menschen, westliche Fastfood-Ketten, Shopping-Malls welche so gross sind, dass sie wahrscheinlich eine eigene Postleitzahl haben, nirgendswo Abfall und überall Menschen in westlichen und teuren Klamotten. Nach 7 Wochen im Iran ist man mit so einem Anblick einfach überfordert. Glücklicherweise sind die Tage hier gezählt, denn eigentlich benötige ich nur das Visa für Indien und mit dem nächsten Flieger geht es dann auch gleich los. Dies wird allerdings eine grössere Sache als wie geplant, und die Indische Regierung veranstaltet einen ziemlichen Papierkrieg. Doch dazu später mehr.
jetzt muss ich erst mal an den Strand 🙂
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