Ich bin definitiv nicht ein Stadtkind. Der Verkehr hier in Teheran raubt mir die letzten Nerven und zudem fahren hier Fahrzeuge rum, welche noch nie etwas von einem Katalysator oder so gehört haben. Entsprechend stinkt die komplette Stadt nach Abgasen und wenn ich abends die Kleider wasche, dann färbt sich das Wasser sofort pechschwarz. Dennoch versuche ich irgendwie die Tage in der Hauptstadt vom Iran zu geniessen und Dank der gastfreundschaftlichen Art der Teheraner gelingt mir das sogar. Ich werde von einer freundlichen Person zur nächsten weitergereicht und sehe so viele verschiedene Wohnungen und verbringe lustige Abende beim BBQ oder einfach beim Bummeln durch einen der zahlreichen Stadtpärke.
Am Freitag ist es endlich soweit und ich fahre mit der Metro zur südlichen Haltestelle Shahed um von dort mit einem Savari, ein komplett überfüllter Kleinbus, weiter zum internationalen Flughafen Imam Khomeini zu fahren. Nein, ich werde heute kein Flugzeug besteigen, aber meine Kollegin Isabel abholen mit welcher ich die nächsten Tag per Bus und Auto durch den Iran reisen werde. Die Kontrollen am Flughafen scheinen sehr umfangreich zu sein, denn fast 2.5h nach der Landung läuft endlich Isabel in den Wartebereich. Da es mittlerweile schon spät ist, machen wir uns sofort auf den Weg zurück in die Innenstadt. Die Metro fährt bereits nicht mehr und den Flughafenbus scheint es nur im Lonely Planet zu geben, aber nicht in der Realität – so nehmen wir ein Taxi für 700‘000 Rial (hört sich nach unglaublich viel Geld an, ist aber in Wirklichkeit ungefähr 22$.
Als VIP nach Esfahan
Gleich am nächsten Tag schwingen wir und in den Stadtbus, welcher uns zum Busterminal im Norden bringt. Von dort aus wollen wir einen Bus in die südlich gelegene Stadt Esfahan nehmen. Vorher bringe ich Chocolate jedoch noch zu einem Kollegen, welcher während meiner Abwesenheit gut darauf aufpasst. Schlussendlich passt alles, und wir sind noch keine 5 Minuten am Busterminal als wir bereits in einem „VIP“ Bus vom Parkplatz rollen. Nach einer gut 6 stündigen Fahrt erreichen wir Esfahan, wo wir über Couchsurfing Alireza kennengelernt haben und bei dem wir 2 Nächte bleiben dürfen. Sein Haus befindet sich allerdings am komplett anderen Ende der Stadt, welche doch auch aus mehreren Millionen Einwohnern besteht. Aber glücklicherweise holt er uns am Busterminal ab und zuhause wartet bereits seine Frau mit einem leckeren iranischen Essen auf uns. Der kleine Junge von Alireza ist zwar sehr hyperaktiv, aber dennoch nicht nervig. Am nächsten Tag steht viel Sightseeing auf dem Programm, denn die Stadt hat eine jahrtausendalte Geschichte und im Zentrum steht der pompöse Imam Khomeini Square mit zahlreichen imposanten Bauten auch dem Bazar. Alireza lädt uns direkt an einer ebenfalls geschichtsträchtigen Brücke ab und so verbringen wir den ganzen Tag als typische Touristen. Dazwischen treffen wir noch einen anderen Couchsurfer, welcher uns noch etwas mehr von den alten Gebäuden erzählt und uns zudem noch zu einem Teppichverkäufer bringt, welcher ein riesiges Reisewissen hat. Er gibt uns dann auch noch den Tipp in die Wüste nach Varzaneh zu fahren, um dort auf einer Sanddüne die Sternen anzuschauen. So schnappen wir uns am nächsten Tag einen Mahmooly, ein uralter Mercedes Bus, bei welchem alles irgendwie mit ein paar Schrauben zusammengehalten wird. Die Fahrt ist dafür überaus günstig – für 1.5h Fahrtzeit müssen wir gerademal 1$ pro Person berappen. Zudem lädt er uns praktisch direkt vor der Türe von unserem Guesthouse ab. Zum ersten Mal treffen wir hier wieder auf andere Reisende und verbringen einen gemütlichen Abend beim gemeinsamen Abendessen. Da die Zeit drängt, möchten wir bereits am frühen nächsten Morgen in die Wüste rausfahren, um den Sonnenaufgang anzuschauen.
Unfall in der Wüste
Nach einer kurzen Nacht fahren wir zusammen mit zwei Belgiern um kurz vor 6 Uhr los. Der Fahrer gibt dabei ordentlich Gas, und auf der kleinen Wüstenstrasse beschleunigt er den Wagen auf bis zu 150km/h. Was uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst ist, ist dass wir aufgrund seines Bleifusses die restliche Reise komplett ändern resp. abbrechen müssen. Denn nachdem wir ungefähr 50km in die Wüste rausgefahren sind, ändert sich der Untergrund zu lockerem Kies und der Fahrer verliert sofort die Kontrolle über sein viel zu schnelles Fahrzeug. Nachdem sich der Wagen einmal um 180 Grad gedreht hat, stösst er am Strassenrand auf einen Sandhügel und beginnt sich zu überschlagen. Ich habe keine Ahnung wie oft wir uns drehen, aber als das Fahrzeug endlich stillsteht, stehen wir auf der rechten Seite und nur durch die Heckscheibe, welche rausgeflogen ist, können wir das völlig demolierte Fahrzeug verlassen. Wie durch ein Wunder schaffen alle 5 Insassen mit eigenen Kräften den Weg in die Freiheit. Mir fällt allerdings sofort auf, dass ich am Kopf blute und der starke Schwindel sowie Probleme mit Sehen weisen auf eine ziemlich üble Gehirnerschütterung hin. Also erst mal setzen. Isabel hat starke Schmerzen im Rücken und auch überall sonst und setzt sich neben mich. Der Fahrer versucht derweil ziemlich verzweifelt Hilfe zu holen, was sich aber als schwierig herausstellt, da es hier in der Wüste schlicht keinen Handyempfang gibt. An Chocolate hängt mein Notfall-Peilsender, welcher auch ohne Handyempfang weltweit Hilfe rufen kann… aber der ist halt eben in Teheran. Scheisse, also hoffe ich darauf, dass der Fahrer es dennoch irgendwie schafft. Die zwei Belgier scheinen relativ unverletzt und holen uns Decken, denn es ist noch früh am Morgen und der Wind ist bitterkalt. Endlich schafft es der Fahrer jemanden zu erreichen, allerdings benötigt die Ambulanz mindestens 40 Minuten um es bis zu uns zu schaffen. Also beginnt eine sehr lange Wartezeit.
Wir werden erstversorgt und mit dem Krankenwagen weggefahren. Die Schmerzen von Isabel sind aber einiges grösser geworden, und so wird ein Helikopter zur Hilfe gerufen. Ich bin noch nie Helikopter geflogen, und eigentlich war es auch nie geplant in einem solchen Ding zu sitzen. Aber naja, jetzt geht es wohl nicht anders und nach wenigen Minuten landet dieser dann auch direkt vor uns auf der Strasse. Das Einladen geht ganz fix und so heben wir kurz darauf von der Wüstenstrasse ab und durch die Fenster kann ich trotzdem noch ein bisschen von den Sanddünen sehen. Immerhin gibt es so noch Sightseeing von der anderen Art.
Aufgrund der Verletzungen und weil wir Touristen sind, werden wir direkt in das äusserst gute Spital in Esfahan geflogen. Der Helikopter kann dort nicht wie bei uns direkt beim Spital landen, sondern fliegt zuerst zu einem Militärflugplatz mitten in der Stadt. Von dort aus bringt uns eine weitere Ambulanz die restlichen Meter zur Notaufnahme. Dort folgt dann das mehr oder weniger übliche Standardverfahren bei einem solchen Unfall. Also alles röntgen und durchchecken und dazwischen stundenlanges Warten. Neun Stunden nach dem Unfall werden endlich mal meine Wunden gereinigt und genäht. Und dann möchten sie uns auch schon wieder aus dem Spital haben, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass dieses komplett überfüllt ist. Plätze für eine Person sind teilweise mit drei Personen oder mehr belegt, und minütlich kommen mehr Verletzte oder gar Halbtote an.
Mir geht es mehr oder weniger wieder gut und so entscheide ich noch am gleichen Tag das Spital zu verlassen, um bei Alireza eine weitere Nacht zu verbringen. Dieser ist sofort ins Spital gefahren, nachdem ich ihm gefragt habe ob er übersetzen kann – ein riesengrosses Dankeschön nochmals an dieser Stelle! Isabel hat allerdings noch zu grosse Schmerzen und bleibt somit noch eine Nacht dort.
Am nächsten Tag verlässt aber auch sie das Spital und kommt zu Alireza nach Hause wo wir nach nur einer Nacht zurück nach Varzaneh fahren müssen um diverse Protokolle zu unterschreiben. Wir müssen dort sogar noch vor Gericht antraben, da die Versicherung vom Fahrer sonst nichts zahlt. Mittlerweile hat auch die Presse von dem Unfall erfahren und so sind wir sogar im Fernsehen zu sehen!
Wir verbringen weitere zwei Nächte in Varzaneh, wobei wir eigentlich den ganzen Tag im Haus rumgammeln und darauf warten dass es uns besser geht. Dazwischen liegt dann aber doch noch etwas Zeit für Sightseeing drinnen und so sehen wir, wie mit Hilfe eines Ochsen Wasser aus einem Erdloch gewonnen wird oder wie eine Mühle mit einem Dromedar betrieben wird.
Visa Extension mit Wartezeit im Smog
Mit dem Bus geht es dann am Samstag wieder zurück nach Teheran, wo wir auch schon bereits von Soosan, eine Kollegin von Isabel, vom Busterminal abgeholt werden. Die Fahrt ist etwas traurig, da wir ja eigentlich noch Shiraz sowie Persepolis sehen wollten, schlussendlich aber eigentlich nur Esfahan und ein bisschen was von Varzaneh gesehen haben. Daher wollen wir den letzten Tag in Teheran noch so richtig geniessen und möglichst viel sehen, was uns dann auch gelingt. Wir fahren in den reichen Teil der Stadt in den Norden und geniessen die etwas kühlere und bessere Luft und nach dem Sonnenuntergang geht’s dann noch auf den Fernsehturm. Wir bewundern die Millionen kleine Lichter unter uns, die ankommenden Flieger über den Dächern und natürlich auch die rotleuchtenden Würmer von den vielen Highways wo scheinbar zu jeder Uhrzeit Stau herrscht.
I hate Goodbye’s, doch muss es immer wieder machen auf meiner Reise. Auch heute ist es mal wieder so weit, denn Isabel’s Flieger geht am nächsten morgen früh und so müssen wir uns bereits am Abend vorher verabschieden da ich in einem Hotel im Zentrum schlafe, während sie bei Soosan im Süden schläft.
Nachdem ich nun wieder alleine unterwegs bin, muss ich erstmal überlegen wie es jetzt genau weitergeht. Nun ja, da das Visa demnächst ausläuft und ich mindestens nochmals 25 Tage für das beradeln des Landes benötige, steht somit als erstes ein Gang zu den Behörden auf dem Programm. Etwas was ich überhaupt nicht mag, es bis jetzt aber nicht geschafft habe mich davor zu drücken. Mit einem Diplomatenpass wäre alles wohl einiges einfacher 😉 Der Wecker schafft es aber nicht mich wach zu kriegen, und so schlafe ich erstmal mehr oder weniger aus. Dies wird mir sofort wieder zum Verhängnis, denn ich erreiche die Passbehörde erst kurz vor deren Feierabend und nach dem ganzen Papierkrieg wird mir dann mitgeteilt dass die Verlängerung erst am Sonntag – also 6 Tage später – abholbereit ist. Normalerweise dauert dieser Vorgang nur 1-2 Stunden, jedoch ist es mittlerweile 5 Minuten vor Feierabend und die nächsten zwei Tagen sind Feiertage, danach machen sie eine Brücke und nochmals danach ist Freitag und somit werkfreier Tag. Wieso sie es auf den Samstag nicht fertigkriegen weiss ich leider nicht. Naja, nicht aufregen sondern Danke sagen und gehen. Sonst dauert es auf einmal noch länger oder sie geben mir nur 14 Tage oder so.
Es schaudert mich so lange in dieser stinkigen Grossstadt auszuhalten, aber mit Ashkan habe ich einer lieben Warmshower kennengelernt, welcher sogar bereits Kollegen von mir aus Australien beherbergt hatte. Zusammen mit ihm und seinen Kollegen wandern wir auf die nahegelegenen Berge und campen direkt vor den funkelnden Lichtern der Stadt. Ein absolut einzigartiges Gefühl soweit über der Stadt zu sein.
Die Nacht vom Samstag auf Sonntag verbringe ich in einem vom Passbüro nahegelegenen Stadtpark, damit ich am nächsten Morgen bestimmt der erste dort bin. Der erste bin ich tatsächlich, denn um kurz nach 5 Uhr entdeckt mich ein Parkwächter und schmeisst mich samt Zelt auf die Strasse (kein Witz). So stehe ich also im Halbdunkel und halbnackt mitten auf einer Strasse in Teheran und beginne meine Sachen zusammenzusuchen (ja mal wieder viel Spass an alle mit einem guten Vorstellungsvermögen). In einem kleineren Park ohne Wächter mache ich mir dann erstmal Kaffee und kontrolliere ob ich auch wirklich alle Sachen eingepackt habe, bevor es zur Passbehörde geht. Die wollen mich erstmal nicht reinlassen, da in meiner Tasche eine Kamera drinnen ist (den Pfefferspray übersehen sie gekonnt). Und als ich endlich drinnen bin, ist mein Pass noch nicht fertig! Nach einer weiteren Stunde habe ich dann endlich den langersehnten Stempel drinnen, für welchen man wahrscheinlich kaum länger als 2 Minuten braucht.
Endlich wieder in die Pedalen trampeln
Die Fahrt aus der Stadt fühlt sich wie ein Befreiungsschlag an. Endlich wieder radfahren, endlich raus aus Teheran. Das letzte Mal eine grössere Distanz bin ich schon seit fast 3 Wochen nicht mehr gefahren. Und genau so fühlt es sich dann auch an, als ich endlich am masslos übertriebenen Imam Khomeini Schrein vorbeifahre, welcher sich gerademal 35 Kilometer ausserhalb der Stadt befindet. Wie kann man nur so schnell von topfit zu schlapp wie ein Turnschuh verkommen? Die Strasse macht es mir auch nicht einfacher, da diese sich nach dem Schrein erstmal gemütlich ein paar hundert Höhenmeter hochschlängelt, nur um kurz darauf die gleichen Höhenmeter wieder runterzusausen. Die Gegend ändert sich relativ schnell, und so komme ich endlich in die langersehnte Wüstenregion südlich von Teheran – wobei dies noch nicht wirklich die Wüste ist, da diese erst östlich von Kaschan beginnt. Dennoch geniesse ich das Abendlicht von der Sonne, welche in diesen gelblich-braunen Tönen nur in der Wüste scheinen kann. Als es schon fast dunkel ist, erreiche ich eine kleine Karawanserei mit angebautem Restaurant. Eigentlich würde ich ja gerne wie Marco Polo in einer Karawanserei schlafen, die ist allerdings scheinbar seit dessen letzten Besuch nicht mehr renoviert worden und ist somit schon halb in sich zusammengefallen. Die Restaurantbesitzer laden mich aber sofort ein, auf der Terrasse zu schlafen und auch ein leckeres typisch iranisches Abendessen gibt es noch dazu. Es ist die erste Nacht die sich schon etwas wie 1001 Nacht anfühlt, und so langsam wird mir auch endlich bewusst, dass meine Räder schon den ganzen Tag Kontakt hatten mit der berühmten Seidenstrasse. Wo früher allerdings die Kamele durchritten, brausen heute die LKW’s und somit ist es eine ziemlich laute Nacht.
Auf der Seidenstrasse von Karawanserei zur Karawanserei
Nach einem kurzen Goodbye sattle ich mein Kamel – also Chocolate – und fahre weiter in südliche Richtung. Heute soll eine weitere Karawanserei auf dem Programm stehen, von welcher ich auch weiss dass sie offen ist und sogar als Hotel wiedereröffnet wurde. Dazwischen passiere ich noch Ghom, die zweitheiligste Stadt im Iran, wessen Zentrum ein weiterer Schrein bildet. Nachdem die obligatorischen Fotos geschossen wurden, kann ich endlich auch die Fotos von dem Schrein schiessen, denn alles vorher waren nur Selfies mit den Locals.
Gegen Abend erreiche ich die angepeilte Karawanserei, muss jedoch feststellen, dass diese geschlossen ist. Einerseits bin ich etwas traurig darüber, da die Bilder im Internet echt super ausgesehen haben, andererseits freue ich mich auch etwas darüber da ich so etwas Geld sparen kann. Vor dem Gebäude steht eine etwa 2.5 Meter hohe Weltkugel, welche ich mir dann halt eben als Fotomotiv aussuche. Fast unbemerkt schleicht sich währenddessen ein Bauer heran, welcher mich dann auch gleich zu sich nach Hause einlädt. Gerne möchte er, dass ich die Nacht in seinem Haus im gleichen Zimmer wie seine Arbeiter und Verwandte verbringe. Noch vor ein paar Wochen hätte ich sofort ja gesagt, mittlerweile suche ich aber immer öfters etwas Zeit für mich selber. So rede ich mich raus, dass ich noch etwas weiterfahren möchte, da es in der Nacht die perfekte Temperatur zum radfahren hat. Einen Cay trinke ich natürlich aber dennoch mit ihnen, denn zu Cay sagt man niemals nein da dies als unhöflich gilt.
Nur wenige Kilometer weiter finde ich dann ein kleines Waldstück, welches sich optimal zum Zelten eignet und so stelle ich endlich mein Zelt auf. Ich bin zwar müde, merke aber, dass sich die Beine bereits wieder an die Anstrengungen gewöhnt haben.
Ein paar Bauern arbeiten am nächsten Morgen in aller Seelenruhe nur ein paar Meter neben meinem Zelt, keiner sagt jedoch etwas zu mir als ich völlig verschlafen aus dem Zelt krieche. Es ist zwar erst knapp nach 6 Uhr, die Bauern scheinen jedoch schon lange an der Arbeit zu sein. So koche ich wie gewohnt erst mal Kaffee und mache mich dann zurück auf die Seidenstrasse welche sich heute über eine endlose Steppe zieht. Links von mir breitet sich die Wüste aus während rechts von mir der Highway nach Esfahan herüberdröhnt. Der Wind scheint heute etwas mit mir spielen zu wollen, denn dieser kommt abwechselnd von der Seite oder von vorne. Auf jeden Fall ist es etwas einen Kampf voranzukommen, weswegen ich erstmal an einem Truckerstopp eine Pause einlege. Der Cay steht innert Sekunden auf dem Tisch, jedoch liebäugle ich auch mit der Wasserpfeife welche im Ecken steht. Nach einem kurzen Gespräch mit ein paar Fernfahrern wird dann auch sogleich die Wasserpfeife angezündet, und so komme ich zu einem etwas speziellen Frühstück – Cay, Kekse und Wasserpfeife. Die Pause nutze ich auch gleich noch um Ali, einen Warmshower aus Kaschan, zu kontaktieren. Er antwortet mir dann auch nur wenige Minuten später und lädt mich zu seinem im Umbau befindlichen Guesthouse ein. Und ungefähr hier verrenne ich mich etwas in der Zeit. Vorerst sage ich, dass ich ungefähr so um 15:00 Uhr da sein werde. Als ich allerdings Kaschan erreiche, möchte ich unbedingt noch den berühmten Bazar anschauen, welcher allerdings erst um 16:30 Uhr öffnet. Also nochmals etwas die Zeit per SMS verschieben, was für Ali aber kein Problem darstellt.
Vor dem Bazar ist wie immer die Hölle los, weswegen dies ein guter Abstellplatz für Chocolate ist da so ganz bestimmt niemand etwas klaut. Ich verschliesse wie immer das Rad mit dem stabilen Bügelschloss für das Rad selbst sowie einem Kabelschloss für die Fronttaschen welche sonst mit einem einfachen Handgriff geklaut werden könnten. Beim Kabelschloss fällt mir dummerweise nicht auf, dass sich dessen Zahlencode während dem Transport anscheinend selbst verstellt hat, und so geniesse ich ohne schlechte Vorahnung die Stimmung auf dem Bazar. Als ich dann fast einer Stunde später zurückkomme und sowieso schon extrem spät dran bin, bemerke ich endlich mal dass sich das Zahlenschloss nicht mehr öffnen lässt. Das Schloss gewaltsam knacken will ich nicht, weswegen ich mich erst mal neben das Rad setze und versuche mittels gutem Gefühl den neuen Code rauszufinden. Das Schloss hat 3 Zahlen, was 1000 verschiedene Kombinationen ergibt… müsste also in 2 Tagen zu schaffen sein. Nur müsste ich in 30min bei Ali auf der Matte stehen – schöne Scheisse. Also Ruhe bewahren und weiter versuchen. Als es bereits schon stockdunkel ist, und ich eine gute halbe Stunde zu spät dran bin, reisst mir endgültig der Geduldsfaden und mittels Zange (glücklicherweise im Gepäck dabei gehabt) gelingt es mir den Stahldraht durchzuschneiden. Dabei hätte ich schwören können, dass ich teilweise verdammt nah dran war! Lustigerweise denkt niemand um mich herum, dass ich evtl. das Rad gerade am Klauen bin, denn auf dem ganzen Platz kann rein vom Aussehen her nur mir das Rad gehören (kurze Hosen, leuchtendes Trikot, Hautfarbe…).
Durch die Dunkelheit kämpfe ich mich erst durch den Stadtverkehr um anschliessend auf einer Schotterstrasse den Schlaglöchern auszuweichen. Dazwischen überfahre ich noch fast einen Schakal und verliere die Kontrolle im von der Wüste verwehten weichen Sand. Mit 1.5 Stunden Verspätung treffe ich endlich bei Ali ein, und bin erst einmal völlig überwältigt von seinem Guesthouse, welches aus einem riesigen Garten, einem Gebäude mit Badgirs (Windtürme) sowie einem mehrstöckigen Turm besteht. Gemeinsam gehen wir mit seinem Jeep nochmals zurück zur Stadt und essen einen leckeren Lamm-Kebab. Ich darf anschliessend ein Zimmer in dem Turm beziehen und geniesse noch fast 2 Stunden lang den klaren Sternenhimmel auf dem Dach des Turms – was für ein Leben!
Lost in Stars
Die Nacht im Turm ist richtig erholsam, da durch seine dicken Aussenwände die Kälte abgehalten wird und die Wärme vom Tag konserviert wird. So stehe ich etwas später auf wie sonst und frühstücke noch gemütlich mit Ali, bevor ich mich wieder auf Chocolate schwinge und weiterfahre. Die Hauptstrasse kann ich heute endlich verlassen und einer kleinen Nebenstrasse direkt am Rand von der Wüste folgen. Links von mir türmen sich rot-gelb-leuchtende Sanddünen auf und vor mir erscheinen auf einmal so lustige Warnungsschilder mit Kamelen drauf. Ja, ich bin definitiv in der Wüste angekommen, und die Farben hier haben es wie immer in sich. Als sich dann auch noch die Sonne langsam hinter den Bergen versteckt, wird das Farbenspiel perfekt. Ein richtiges Glücksgefühl überkommt mich und mit Gänsehaut fahre ich in die beginnende Dunkelheit. Mit den Tageszeiten wird es hier langsam in etwas so wie am Schluss in der Türkei… bereits um 6:30 Uhr ist es stockdunkel, weswegen der späte Nachmittag nur bedingt zum Fahren verwendet werden kann. Da auf der kleinen Nebenstrasse aber fast kein Verkehr herrscht, breche ich meine eiserne Regel nicht im Dunkeln zu fahren und erreiche so noch ein etwas grösseres Dorf. Dort ist gerade Nachtmarkt und natürlich besuche ich diesen noch kurz um die lokalen Spezialitäten etwas auszuprobieren. Mit angeschaltetem Licht geht es anschliessend weiter in der Dunkelheit, bis gar nirgendswo mehr ein Licht zu sehen ist. Einfach wunderbar so weit draussen in der Natur zu sein! Auf einem kleinen Feld hinter einem Erdhügel finde ich dann auch noch einen super Schlafplatz und geniesse somit nochmals eine sternenklare Nacht.
Die Tage werden spürbar kälter. Seit der Abfahrt in Teheran sind die Nächte bestimmt um fast 10 Grad kälter geworden und können es somit locker mit den zurzeit herrschenden Temperaturen in der Schweiz aufnehmen. Dummerweise habe ich viele wärmere Kleidungsstücke bereits zurück nach Hause gesendet, weswegen die Nacht im Zelt etwas erfrischender wurde als wie geplant. Aber bis jetzt reicht die Ausrüstung für die Temperaturen noch aus.
Am nächsten Tag folge ich den kleinen Strassen weiter und habe dabei endlich mal Rückenwind! Mit einem Schnitt von fast 30km/h sause ich der Sonne entgegen und versuche dabei möglichst wenig anzuhalten. Dies ist in einem gastfreundlichen Land wie dem Iran fast unmöglich, und ich hoffe dass ich keine Gefühle auf meiner rasanten Fahrt verletzt habe. Um 10 Uhr stehen schon über 50km auf dem Tacho – Rekord! Die Strecke ändert sich anschliessend leider zu einem Anstieg, weswegen die super Durchschnittsgeschwindigkeit schnell wieder zusammenbricht. Gegen Abend erreiche ich ein kleines Bergdorf, und die Tatsache, dass ich seit Mittag ununterbrochen nur den Berg hochgefahren bin, lässt mich etwas vor der bevorstehenden Nacht im Zelt zittern (wortwörtlich). Ich finde zwar einen guten Schlafplatz neben der Strasse bei welchem auch viel Feuerholz zur Verfügung steht, jedoch wird es wie erwartet unmenschlich kalt nachdem ich die Feuerstelle verlasse und zum Zelt zurückkehre.
Steifgefroren krieche ich am nächsten Morgen aus dem Zelt heraus und werde auch sogleich von einer älteren Dame begrüsst welche sich aber sichtlich über das verbrannte Holz aufregt. Ich habe ein schlechtes Gewissen und verlasse dadurch in Rekordzeit den Tatort. Die Strasse steigt weiterhin an und so langsam aber sicher frage ich mich ob diese Strasse direkt nach Nepal führt oder doch nach Varzaneh wie geplant… Nach weiteren 3 Stunden aufwärtsfahren, erreiche ich die Passhöhe auf ungefähr 2400m. Ab hier geht’s rasant hinunter nach Kohpaye wo ich endlich den langersehnten Kaffee geniessen kann. Da meine Kaffeemaschine tags zuvor kaputt gegangen ist, musste ich den ganzen Vormittag ohne Koffein verbringen. Meine Laune ist entsprechend im Keller und ich bin froh dass keine Menschen in der Nähe sind, welche sonst darunter leiden müssten. Nach der Kaffeepause in Kohpaye geht’s dann gutgelaunt ins nächste Kaff wo ich dann auch eine Mittagspause einlegen möchte. Die Kinder lassen mich allerdings nicht in Ruhe, weswegen nach ein paar Minuten die Mittagspause abgebrochen werden muss. Zu meinem Erstaunen bringen die Kids mir aber ein Mittagessen auf dem Silbertablett zur Hängematte und genussvoll greife ich zu. Nach dem obligatorischen Selfie mache ich mich auf die letzten Kilometer nach Varzaneh wo ich zwei Ruhetage bei einem alten Kollegen verbringen werde… ja, es ist der Fahrer vom Unfallfahrzeug 😉
Ach ja, auf den letzten Kilometer habe ich wieder Gegenwind und das nicht zu knapp. Freue mich ja schon auf die folgende Etappe nach Yazd…