Ooooh ich könnte euch schon wieder ein komplettes Buch über die letzten paar Tage schreiben. Und genau das mache ich wahrscheinlich jetzt gleich. Also schon mal ein grosses SORRY vorweg, dass ich euch:
A: die Zeit stehle und
B: Den Blogeintrag nicht an einem Samstag oder Sonntag geschrieben habe. Hoffentlich habt ihr aber einen lieben Boss, welcher euch etwas in Ruhe „arbeiten“ lässt.
Gerade heute habe ich mir beim Radfahren so gedacht, dass ich dringend mal einen neuen Eintrag schreiben muss, da die ganzen Erlebnisse sonst von neuen Eindrücken ganz in Vergessenheit geraten. Meine Gedanken wurden da aber gleich unterbrochen, da ein Auto neben mir anhielt um ein paar Fotos und Selfies zu machen. Also jetzt mal der Reihe nach und von vorne.
In Istanbul habe ich natürlich das gesamte Touristenprogramm gemacht. Sprich die blaue Moschee, die Hagya Sophia, den grossen Baazar und natürlich eine Bootstour auf dem Bosporus, welche von Ömer, den besten Tourguide überhaupt, begleitet wurde. Ich habe ihn ein paar Tage früher über Warmshowers kennengelernt und durch seine offene und freundliche Art sind wir auch nach meinem Weiterzug ins Zentrum in Kontakt geblieben. Die Stadt ist super und eindrücklich, und wenn ihr mal Zeit habt, dann geht unbedingt hin – abgesehen vom Fahrrad, kann man die Metropole auch per Flugzeug erreichen 😉
Die Zeit verging wie im Fluge und schon kurze Zeit später verlasse ich die Stadt mit der Fähre in Richtung Mundanya (die Erlebnisse vom Putsch könnt ihr euch hier und hier nachlesen resp. nachhören). Mudanya ist ein mittelgrosser Küstenort, welcher hauptsächlich als Umsteigort von der Fähre in den Bus nach Bursa dient. In den heissen Tagen sind jedoch auch viele Leute von ausserhalb am Strand, weswegen dieser bei meiner Ankunft völlig überfüllt ist. Einen Schlafplatz habe ich noch nicht, bin mich jedoch sicher, dass ich unbedingt noch eine Nacht am Strand verbringen möchte. Also mache ich mich auf die Suche. Nach über 2 Stunden herumirren und unzähligen Cay-Runden mit Einheimischen, finde ich jedoch noch immer nix. Alle Leute (inkl. Polizei) sagen immer dass ich doch einfach am Strand schlafen soll und dass dies absolut sicher sei. Jedoch hat es dort mehr Menschen als wie am Openair St. Gallen und Gurten Festival zusammen und ich bin die einzige Weisswurst da welche kein türkisch spricht und mit Hightech-Material dort die Nacht verbringen will. Klingt nach einem absolut hirnrissigen Plan – also bin ich dabei! Jedoch suche ich mir aber einen etwas abgelegenen Ort und nicht gerade den Platz beim Hafen. Und im Nachbardorf finde ich doch tatsächlich etwas Passendes. Okay, es hat auch dort Menschen und überall verstreut liegt Müll. Aber es scheint s, als würde dieser Platz abends bestimmt leer sein. 3 Stunden später ist es dunkel und bis auf ein paar Fischer ist es tatsächlich leer geworden. Da die Temperatur die ganze Nacht die 25 Grad Marke nicht unterschreitet und eine klare Sternennacht vorausgesagt wird, beschliesse ich ohne Zelt zu übernachten. Mit nur dem Seidenschlafsack und der Luftmatratze schlafe ich beim Klang der Wellen unter einem funkelnden Sternenhimmel ein. Circa zwei Stunden später werde ich jedoch jäh aus den Träumen gerissen. Nein, diesmal sind es keine Kampfjets, sondern Jugendliche mit ihren Ghettoblastern welche sich genau diesen Abschnitt vom Strand für ihre Beachparty ausgesucht haben. Ich bin empört darüber dass ich nicht schlafen kann und die Fischer glücklicherweise auch, da diese keine Fische mehr an den Angeln haben. Nach kurzem überfliegen meiner türkisch-Kenntnissen entscheide ich, dass es vielleicht doch besser ist den Fischern das Gespräch zu überlassen, und so kehrt nach wenigen Minuten wieder Ruhe ein.
Mit den ersten Sonnenstrahlen erwach ich am nächsten Tag und stelle erstaunt fest, dass die Fischer noch immer auf ihrem Felsen sitzen. Also kurz Kaffee kochen, Schlafzeug zusammenpacken und dann ab aufs Rad… Mooooment!!! Ein Abschiedsbad im Meer darf natürlich auch nicht fehlen, denn heute fahre ich wieder ins Landesinnere und somit unter anderem zu den Gebieten mit praktisch null Regen oder Wasser. Durch meinen Badespass verzögert sich die Abfahrt ungemein und als ich Mudanya hinter mir lasse, ist es schon fast Mittag. Das ist sehr schlecht, denn um das Tagesziel Bursa zu erreichen, müssen über 600hm „gefressen“ werden. Die Steigung beginnt gleich nach der Stadt und zieht sich endlos in die Länge. 38 Grad und nirgendswo Schatten. Die erste 1.5 Liter Flasche ist schon kurz nach dem Ortsschild leer und die zweite Flasche hat noch nicht ganz ihre Betriebstemperatur erreicht. Der Shopbesitzer – der schlaue Fuchs – hat mir nämlich eine komplett gefrorene Flasche gegeben, damit dies in ungefähr einer Stunde eine herrlich kühle Trinktemperatur hat. Damals fanden wir beide die Idee super und haben dies mit einem Cay gefeiert… das war vor exakt 35 Minuten. Also noch keine Trinktemperatur, sondern nur riesige Eisbrocken, welche den Ausgang der Flasche versperren. Ich kämpfe mich also weiter den Berg hoch, wobei der Blick zu einem Tunnelblick wird und die Gedanken mehr und mehr abschweifen. Nicht gerade der beste Mix auf einem Highway auf welchem die Lastwagen und Busse mit über 90 Sachen an mir vorbei donnern. Eine kleine verlotterte Bushaltestellt stellt sich als Retterin in Not heraus und nach ein paar Minuten Abkühlungspause zeugt nur noch eine kleine Schweisspfütze am Boden von meiner Anwesenheit.
Über gute Strassen, jedoch mit viel Verkehr, geht es zügig nach Bursa und bereits am frühen Nachmittag erreiche ich die knapp 2 Millionen Einwohnerstadt. Bereits in Istanbul habe ich mir ein Bett über Airbnb gebucht, wobei das Entscheidungskriterium eine funktionierende Waschmaschine darstellte und nicht das bequeme Bett (welches aber ebenfalls vorhanden war). Die Waschmaschine in Istanbul hat nämlich ihren Geist aufgegeben, weswegen nun gefühlte 20kg dreckige Wäsche im Schlund der Maschine verschwinden. Ahmet, der Besitzer der Wohnung, zeigt mir anschliessend den besten Ort in der Stadt um Iskender Kebab zu essen. Diese Art von Kebab kann man zwar überall in der Türkei essen, jedoch hier ist die Geburtsstätte und nur hier schmeckt er am besten. Der Preis von 30 Lira haut mich zwar fast aus den Socken, aber bereits nach dem ersten Biss habe ich alle Liras dieser Welt vergessen. Ahmet muss weiter und so schaue ich mir noch ein bisschen die Stadt an und trinke einen Kaffee mit einer Holländerin, welche nun hier wohnt. Als ich zurück zur Wohnung komme ist niemand da, jedoch möchte meine nun supergut riechende Wäsche aufgehängt werden. Leichter gesagt als getan, denn die Wäschetrommel steht unter Strom! Zwar nur leicht, aber dennoch schmerzhaft. Die Wäsche hohle ich somit mit dem Besenstiel aus der Maschine (alle mit einer guten bildlichen Vorstellungskraft wünsche ich hier viel Spass beim Lachen).
Da es kein WiFi in Ahmets Wohnung gibt, ich jedoch noch dringend ein paar Sachen an der Website erledigen muss, gehe ich noch zum nächsten Internetcafé welches gleich um die Ecke liegt. Betrieben wird dieses von zwei Jugendlichen und ich benötige geschlagene 5 Minuten um zu erklären dass ich einen eigenen Computer habe und nur einen WiFi-Zugang benötige. Nachdem wir das geklärt haben, geht nun aber das wirklich anstrengende los. Die Jungs wollen mich unbedingt dazu überreden zum Islam überzutreten. Ich winke ab und bekomme trotzdem das Passwort fürs Internet. Jedoch geben sich die Jungs nicht geschlagen und lassen nun über die Lautsprecher in extremer Lautstärke englische Reden von Imamen laufen. Da ich dies aber gut ausblenden kann, widme ich mich nun voll und ganz der Website. Als ich zahlen möchte, geht das Spiel wieder von vorne los. Jedoch noch viel penetranter. Vorerst gebe ich mich ahnungslos, merke jedoch schnell dass die Jungs mich nicht einfach gehen lassen – und aussitzen ist nicht möglich, da haben diese mehr Zeit als ich. Also zu Plan B rüber. Ich ziehe aus meinem Rucksack ein kleines Büchlein auf welchem in grossen Lettern „Koran“ draufsteht. Dieses wurde mir in einer Moschee in Istanbul mit auf den Weg gegeben, und da ich Land und Leute verstehen möchte, habe ich es noch immer bei mir. Aus den Gesichtern vor mir strahlt nun pure Freude, ich werde umarmt, geküsst und nochmals umarmt. Alle sind fröhlich und ich verabschiede mich – die Stunde Internet wurde mir natürlich geschenkt, aber ich soll mich nach meiner Konvertierung unbedingt bei ihnen melden.
Zurück in der noch immer leeren Wohnung falle ich in einen tiefen Schlaf. Am nächsten Tag geht’s weiter ins Landesinnere. Mal schauen was die Türkei noch so für Überraschungen bereithält.