Wir verlassen Porte Cetate nach einem sehr erholsamen Ruhetag welchen wir mit Buch lesen in der Hängematte, gemeinsamen kochen sowie baden in der Donau verbrachten. Der Wind an diesem Tag ist unglaublich stark, aber glücklicherweise aus der richtigen Richtung. Um wieder ins Dorf zurückzukommen, müssen wir zuerst einmal ein paar Höhenmeter überwinden. Oben angekommen geht’s erstmal in den Minimarkt um unseren Proviant aufzurüsten. Den Weg rein müssen wir uns allerdings erkämpfen, da das Kassensystem ausgefallen ist und es dadurch eine riesige Ansammlung von Menschen vor der einzigen offenen Kasse hat. Wir sind natürlich die einzigen Ausländer, und werden angeschaut als wären wir Aliens. Nach über einer Stunde stehen wir endlich an der Kasse und können bezahlen – die Lebensmittel in Rumänien sind etwas teurer als wie in Ungarn oder Serbien, jedoch für Westeuropäer noch immer sehr günstig. Tim bewachte die ganze Zeit über unsere Fahrräder und musste somit viele Fragen beantworten und auch Fotos machen. Wahrscheinlich reden die Einwohner von Porte Cetate noch in einem Jahr von uns 😉
Als wir losfahren ist es schon fast 13:00 Uhr, weswegen wir versuchen möglichst schnell ein paar Kilometer gut zu machen. Dies gelingt uns dank Rückenwind ausserordentlich gut und wir brausen mit fast 30km/h über die rumänische Landstrasse, welche dank europäischer Unterstützung in einem wunderbaren Zustand ist. Nur die vielen überfahrenen Hunden, Katzen, Vögel, Igel… stören ein bisschen. Nach ungefähr 25km endet die rasante Fahrt abrupt an einer Strassenkreuzung, da wir nach rechts abbiegen müssen und somit den Rückenwind in voller Wucht von vorne zu spüren bekommen. Tim und ich wechseln uns alle zwei Kilometer mit Windschatten fahren ab, sind dennoch ziemlich müde als wir endlich die Bulgarische Grenze erreichen. Vorerst geht es an den vielen wartenden Lastwagen vorbei, nach wenigen Metern müssen wir uns jedoch auch in die Warteschlange stellen. Die Grenzwärter sind sehr freundlich und lachen uns aus als wir sagen dass es nach Istanbul geht – dabei sind wir ja „nur“ noch 750km davon entfernt…
Über eine brandneue Brücke geht es nach Bulgarien und somit in das achte Land seit dem Start in der Schweiz. Ein neues Land zu befahren fühlt sich jedes mal wie einen Neuanfang an. Alles ist noch unbekannt – Die Sprache, die Währung, die Bauart der Häuser und Städte, die Strassenverhältnisse und vieles mehr. Dennoch bleibt eines immer gleich: entweder man liebt das Land von Anfang an, oder man wird es nie richtig lieben können. Bei Bulgarien war es bestimmt Liebe auf den ersten Blick. Die Städte bieten mit ihren bunten Häusern im südlichen Baustil so viel Charme und die zentralen Parks laden zum verweilen und geniessen ein. Leider haben wir nicht viel Zeit dies alles zu geniessen, da wir noch bis nach Lom fahren möchten, welches weitere 50 Kilometer entfernt liegt. Also ab in die Pedalen treten und den Wind, welcher zu unserem Glück wieder von hinten weht ausnutzen. Ein neues Gleis, welches nicht auf unseren Karten verzeichnet ist, stoppt unsere rasante Fahrt allerdings. Mühsam schleppen wir unsere 50-60 Kilogramm schweren Fahrräder über das Gleis und hoffen dabei dass kein Zug kommt. Zügig geht es anschliessend weiter, wobei die vielen Lastwägen uns nicht sehr viel Platz lassen. Über unzählige kleine Hügel und immer der Donau entlang geht es in Richtung Osten. Die Strasse befindet sich auch hier in einem hervorragenden Zustand und wir geniessen die nachmittägliche Fahrt bei ca. 30 Grad. Als es beginnt einzudunkeln beginnen wir mit der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz. Wir befinden uns ca. 4km vor Lom und können uns gut vorstellen wildzelten. Allerdings fehlt es uns noch an Gemüse und Bier, weswegen wir den restlichen Weg nach Lom auch noch zurücklegen. Dort finden wir nicht nur einen Shop, sondern auch noch ein ziemlich günstiges Hotel. Wir beziehen die Suite für umgerechnet knapp 30€ und beginnen auf einem Balkon ohne Geländer zu kochen. Das Hotel ist in einem sehr schlechten Zustand und alles ist unglaublich versifft. Da wir alle unser eigenes Bett haben, sind wir jedoch sehr glücklich.
Wildcampen in Bulgarien
Am nächsten Tag heisst es erstmal Abschied nehmen von einer sehr guten Freundin, welche uns in den letzten Wochen, ja sogar Monaten, sehr ans Herz gewachsen ist – wir verlassen die Donau und fahren in Richtung Süden nach Sofia. Dazwischen stehen uns etliche Höhenmeter bevor, welche auch besser bekannt sind als das Balkan Gebirge. Die Höhenmeter beginnen gleich ausserhalb von Lom, und obwohl es erst knapp nach neun ist, brennt die Sonne mit über 35 Grad unerbärmlich auf uns herab. Über endlose Sonnenblumenfelder bahnen wir unseren Weg in Richtung Montana. Dort gibt es viele Übernachtungsmöglichkeiten und Shops, weswegen wir uns diese Route bei der Planung gross markiert haben. Als wir ankommen ist es erst 14:00 Uhr, weswegen wir nach einer kurzen Mittagspause weiter in Richtung Gebirge fahren, welche sich nun direkt vor uns auftürmen. Aus Montana führt nur eine Strasse in die Richtung in welche wir möchten, und der Verkehr darauf ist fürchterlich (liegt wahrscheinlich auch daran, dass dies die Autobahn ist). Bei Sumer verlassen wir die Strasse und fahren auf kleinen Nebenstrassen durch diverse Dörfer. Mittlerweile ist es 17:00 Uhr und so beginnen wir mit der Suche nach einem Schlafplatz. Uns ist klar dass wir hier niemals ein Hotel oder etwas ähnliches finden werden, weswegen wir nach einer geeigneten Wiese für Wildcamping Ausschau halten. Im nächsten Dorf finden wir tatsächlich noch einen Shop, bei welchem wir uns mit Gemüse eindecken. Ich möchte eigentlich noch gerne ein Brot für den nächsten Morgen kaufen, jedoch ist bereits schon alles ausverkauft. Daher frage ich nach einem möglichen Platz um das Zelt aufzustellen, worauf mich die Verkäuferin zu einem Jugendlichen führt welcher auf dem Vorplatz mit älteren Herren Bier trinkt. Dieser meint dann dass wir ihm einfach folgen sollen. Vorher kommt jedoch noch einer der älteren Herren auf mich zu und schenkt mir ein Kilogramm Brot! Die Gastfreundschaft ist auch hier mal wieder unglaublich! Wir fahren dem Jugendlichen hinterher, welcher mittlerweile mit eingeschaltetem Warnblinker wenige Meter vor uns wartet. So fahren wir als kleine Karawane durch das Dorf und werden den Bewohnern regelrecht präsentiert. Viele halten den Daumen nach oben, ein paar klatschen sogar. Wir fühlen uns wie Superstars 😉
Ausserhalb von dem Ort befindet sich eine kleine Wiese welche direkt an einem Bergbach liegt. Super, wir hätten uns keinen besseren Ort vorstellen können. Wenige Minuten später liegen wir im Bergbach und waschen uns den Schweiss ab. Auch unsere Kleider erhalten eine Wäsche und nachdem die Zelte aufgestellt sind geniessen wir unser Feierabendbier bei einem perfekten Sonnenuntergang – mitten irgendwo im Balkan Gebirge. Wir kochen und sinnieren über das Leben und sind uns in einem Punkt absolut einig – so fühlt sich Freiheit also an!
Der bulgarische Gotthard
Der nächste Morgen beginnt etwas verspätet als wie geplant. Dank den vielen Bäumen ist es auch nach Sonnenaufgang angenehm kühl im Zelt und so bleiben wir ein bisschen länger liegen. Dennoch quäle ich mich irgendwann raus und koche Wasser für Kaffee und Tee auf. Während sich über den Berggipfeln bereits die ersten Cumulus bilden, trinken wir unseren Kaffee und schauen die geplante Route nochmals an. Wobei es eigentliche gar keine Änderungen mehr geben kann, da nur ein einziger Weg von unserem Standort aus nach Sofia führt – und dieser ist gespickt mit vielen, vielen Höhenmetern. Also packen wir unsere Lastesel und machen uns auf den Weg zum Pass. An einer kleinen Wasserquelle füllen wir noch unseren Wasservorrat auf und nach zwei weiteren kleinen Dörfern geht es ab in die Bergstrasse welche in sich mitten durch den Wald hinauf auf den Berg schlängelt. Nach einer knappen Stunde erreiche ich die Passhöhe und möchte eigentlich gleich mit dem kochen beginnen, als ich bemerke dass es gar kein Benzin mehr in meinem Tank hat. Also muss ich auf Tim mit dem zweiten Tank warten. Wir beschliessen dann jedoch im nahegelegenen Dorf ins Restaurant zu gehen, da das Essen hier fast so günstig ist wie im Supermarkt und man das Land nur mit dem lokalen Essen richtig kennenlernen kann. Genau so wie hinauf gegangen ist, geht es jetzt wieder hinunter. Die Bergstrasse führt in unzähligen Kurven vom Berg hinunter und es macht sich ein Wahnsinnspanorama vor uns auf. Natürlich machen wir noch ein paar Fotostopps, bevor wir die Abfahrt einfach nur geniessen. Wir erreichen das nächste Tal, welches ähnlich wie der Gotthard in der Schweiz den Norden vom Land mit dem Süden verbindet. Und es fühlt sich auch ganz ähnlich an – von weitem sehen die Dörfer wie typische Tessiner Dörfer aus und die Hügel sind genau so dicht bewaldet. Nur die Temperatur übertrifft die südliche Schweiz bei weitem. Es ist, als würde jemand mit dem Heissluftföhn vor uns herfahren. Im Tal angekommen erreichen wir endlich das langersehnte Restaurant und essen typischen bulgarischen Kebap mit Käse überbackenen Pommes Frites. In der näheren Umgebung befinden sich viele kleine Höhlen, welche allerdings leider alle abgeschlossen sind. So entscheiden wir uns relativ schnell unsere Höhlenforscher-Karriere an den Nagel zu hängen und als Radsportler weiterzumachen. Mit der neu getankten Energie geht es weiter durch das schmale Tal. Wir folgen einer brandneuen Strasse, welche einem kleinen Fluss und einer Bahnschiene folgt. Während die Bahnschiene relativ flach geführt ist, müssen wir viele kleine Steigungen überwinden und haben dafür immer wieder eine wunderschöne Aussicht über das schmale Tal. Unser Tagesziel ist Svorge und gegen den späteren Nachmittag erreichen wir das circa 4 Kilometer entfernte Nachbardorf in welchem wir uns noch mit Gemüse, Brot und Bier eindecken – ja, wir wollen auch heute wieder wildcampen gehen. Die Einheimischen vor dem Minimarkt sprechen uns auf bulgarisch an, und mit Händen und Füssen versuchen wir ihnen zu antworten. Plötzlich kommt ein anderer Mann hinzu, welcher sehr gut englisch spricht. Er wohnt direkt neben dem Minimarkt und möchte unbedingt dass wir unsere Trinkflasche mit seinem sauberen Leitungswasser füllen. Gerne erfüllen wir ihm diesen Wunsch und so können wir mit vollen Taschen und Flaschen wenige Minuten später wieder weiterfahren.
Die Bahnlinie sowie die Strasse machen sich den kleinen Platz zwischen Fluss und Felsen streitig, und so finden wir nirgendswo einen möglichen Platz zum wildzelten. Also fahren wir nach Svorge, in der Hoffnung dort etwas zu finden. Doch nirgendswo hat es Platz für drei halb verwilderte Radfahrer. Immerhin konnten wir die Stadt dazu nutzen unsere Benzinbehälter wieder aufzufüllen. Wir suchen noch eine weitere Stunde nach einem geeigneten Platz, geben dann jedoch auf und begeben uns in das am günstigsten aussehenden Hotel. Die Zimmer kosten 12€ und sind ausserordentlich sauber sowie mit Balkon, TV und eigenem Bad. Gemeinsam kochen wir unser Abendessen auf dem Balkon und geniessen einen weiteren wunderbaren Abend inmitten vom Balkan Gebirge.
Endspurt nach Sofia
Nach einem ausgiebigen Frühstück und viel Kaffee verabschieden wir uns von Svorge und beginnen als erstes mal mit einem Aufstieg welcher uns ca. 100 Meter höher bringt. Gleich darauf dürfen wir aber den ersten Downhill geniessen. Durch das ausgiebige Frühstück und dem guten Wifi haben wir sehr viel Zeit in Svorge verloren, was jedoch nicht so schlimm ist da uns nur gute 45km bevor stehen. Allerdings steigt die Temperatur schnell wieder über 30 Grad und somit sind die zahlreichen kleinen Steigungen extrem anstrengend. Während ich auf Jesse und Tim warte, spricht mich doch tatsächlich ein älterer Herr auf Deutsch an. Er kommt aus Österreich und hat sich hier ein Haus gekauft. Schnell tauschen wir noch ein paar Infos über Bulgarien aus, bevor wir uns dann weiter in Richtung Sofia machen. Die Strecke ist wie bereits schon in den Tagen vorher einfach ein Traum: super Strassenzustände, wenig Verkehr und eine atemberaubende Aussicht.
Nach einem letzten Hügel öffnet sich das kleine Tal und von weitem können wir Sofia sehen. Um dem Verkehr auszuweichen, fahren wir über kleine mit Schlaglöchern übersäten Strassen und erreichen kurz nach 16:00 Uhr die Hauptstadt von Bulgarien. Hier geniessen wir nun drei Ruhetage bevor Tim und ich weiter nach Istanbul fahren. Jesse fährt mit dem Bus nach Istanbul und fliegt dann für ein paar Tage kurz zurück nach England für ein Vorstellungsgespräch. Somit werden wir uns dann direkt in der Türkei wiedersehen.
Da zurzeit die Bildergalerie nicht so richtig funktionieren will, findet ihr alle Bilder auf Facebook: https://www.facebook.com/imoutmitdemfahrradumdiewelt/photos/?tab=album&album_id=1631719830475097