In Belgrad gönne ich mir einen Ruhetag und habe somit Zeit die Stadt anzuschauen. Mein Hostel liegt im schönsten Teil der Stadt, in der Skadarljia. Sozusagen das Künstlerviertel und somit sehr bunt und Cafés und Bars gibt es wie Sand am Meer. Somit ist allerdings auch die Nacht immer sehr laut. Auf meiner Erkundungstour treffe ich dann auch noch tatsächlich auf die Familie aus Frankreich.
Nach einem entspannenden Ruhetag freue ich mich wieder auf das Rad steigen zu können und in Richtung Istanbul weiterzudüsen. Die Fahrt aus der Stadt raus ist wie immer bei einer Grossstadt mit viel Verkehr und wenig Platz für Radfahrer verbunden. Eine Brücke führt über die Donau und es gibt insgesamt 2 Fahrspuren pro Richtung. Glücklicherweise ist genau an dieser Stelle nicht viel Verkehr, und somit muss ich die rechte Fahrspur mit fast keinen anderen Verkehrsteilnehmern teilen. Nach der Brücke geht es auf eine sechsspurige Autostrasse, bei welcher aber glücklicherweise die äusseren Fahrspuren für die Busse gesperrt sind. Somit habe ich wieder eine ganze Fahrspur für mich alleine und zudem ist auch die Strasse in einem ausserordentlichen guten Zustand – relativ selten in Serbien! Nach ein paar dutzend Kilometern folge ich wieder dem offiziellen Donauradweg, verlasse diesen aber relativ schnell wieder da es nur einen mit Schlaglöchern übersäter Wanderweg ist.
Ausserhalb von Belgrad gibt es nur ein paar wenige kleine Dörfer und dafür endlos scheinende Felder. Die Temperatur steigt am Nachmittag auf über 37 Grad und es ist weit und breit kein Schatten in Sicht. So halte ich jeweils in jedem der kleinen Dörfer und geniesse für ein paar Minuten den Schatten von ein paar wenigen Bäumen oder Häusern. Es scheint als würden die meisten Dorfbewohner die meiste Zeit auf Plastikstühlen vor ihren Häusern verbringen. Alle grüssen jeweils freundlich oder halten den Daumen in die Höhe. Sobald ich anhalte, wird mir WiFi oder Getränke angeboten. Ich fühle mich ein bisschen wie ein Superstar 😉
Es ist bereits später Abend als ich nach über 110km endlich den angepeilten Campingplatz erreiche. Bevor ich Chocolate entpacke ist allerdings ein Bad im See nötig – die Temperatur ist noch immer höher als 30 Grad! Zusammen mit dem Besitzer des Campingplatz schauen wir noch bis tief in die Nacht Filme in dem selbstgebauten Openair-Kino.
Auf zum eisernen Tor!
Dank der Hitze bin ich am nächsten Tag relativ früh wach und nach einem guten Frühstück mit Brot und Ajvar-Aufstrich, fahre ich los in Richtung eisernes Tor. Die Donau bannt sich hier ihren Weg durch ein sehr hügeliges Gebirge und zwischen Fluss und Bergen ist nur ein schmaler Streifen für die Autos und Radfahrer. Als Radreisender muss man sich frühzeitig für die Flussseite entscheiden, da es bis zum Djerdap-Damm keinen Übergang gibt. Die Strasse auf der rechten Seite (Serbien) ist in einem relativ schlechten Zustand und hat dafür wenig Verkehr die Strasse auf der linken Seite ist besser und hat daher ziemlich viel Verkehr. Zudem ist die linke Seite eher der Sonne ausgeliefert, wodurch es zurzeit fast unerträglich ist dort durchzufahren. Daher entscheide ich mich für die serbische Seite, was sich später als goldrichtig herausstellt. Um die linke Seite zu erreichen, muss ich allerdings mit der Fähre erst mal rübersetzen. Diese fährt jedoch nur alle 3-4 Stunden und so gibt es am Hafen erstmal einen türkischen Kaffee und ich darf viele Fragen von den Einheimischen und Touristen beantworten.
Nachdem ich die andere Seite erreicht habe, geht es über eine buckelige Piste bis nach Veliko Gradiste, welche die letzte grössere Ansammlung von Häuser darstellt und somit auch die letzte Möglichkeit für den Einkauf von Lebensmittel darstellt. In einem kleinen Dorfladen erhalte ich fast alles was ich gesucht habe und setze somit die Fahrt weiter in Richtung eisernes Tor weiter. Ab jetzt wird es immer hügeliger, die Strasse verläuft jedoch noch weitgehend flach. In der Ferne sind jedoch die bis zu 760m hohen Berge vom Djerdap-Nationalpark gut erkennbar. Die Donau verläuft fernab von meiner Route und ist daher für eine lange Zeit nicht sichtbar. Dafür kann ich viel über die lokale Landwirtschaft sehen. Von hochmodernem Mähdrescher bis zum Pferdegespann gibt es alles!
Ich erreiche wieder die Donau und somit auch das nächste etwas grössere Dorf – Golubac. Zwischen den Bäumen im Park tauchen auf einmal vier Reiseräder auf, und so entscheide ich mich zu den anderen Radlern dazuzugesellen.
Florent und Lea auf Frankreich radeln mit ihrem Projekt beeci quer durch Europa und Tim und Jess aus England sind ebenfalls wie ich unterwegs in Richtung Osten. Wir entscheiden gemeinsam weiter in Richtung Rumänien zu fahren und passieren somit kurz darauf die wahrscheinlich schönste Passage von der Donau – Das eiserne Tor. Die Strasse verwandeln wir kurzerhand in einen Laufsteg und es werden unzählige Videos und Fotos von der Fahrt durch die Tunnels gemacht. Der nächste Campingplatz liegt nur wenige Kilometer entfernt, ist allerdings nur noch so halb in Betrieb. Ein älteres Paar begrüsst uns und wir dürfen unsere Zelte auf der Wiese aufschlagen. Die besten Jahre von dem Campingplatz liegen schon mehrere Jahre zurück und so waschen wir uns den Strassendreck in einer ziemlich heruntergekommenen Dusche ab, während das Paar verschwindet und uns alleine auf dem Platz zurücklässt. Das ist nun ziemlich doof, denn eigentlich wollten wir uns noch ein Bier kaufen. Tja, man kann nicht immer alles im Leben haben. Dafür ist der Ausblick auf die Donau sowie die umliegenden Bergen kaum zu schlagen. Zusammen kochen wir das Abendessen und siehe da, der Besitzer kehrt zurück! Somit gibt es trotzdem noch ein Feierabendbier.
Ohne Strom im Djerdap-Nationalpark
Zusammen radeln wir am nächsten Tag auf der nun hügeligen aber wunderschönen Strasse im Djerdap-Nationalpark. Die Donau ist immer direkt auf unserer linken Seite, teilweise jedoch mehrere dutzend Meter unter uns. Es geht durch insgesamt 21 unbeleuchtete Tunnels, welche allerdings alle nur sehr kurz sind und es hat auch praktisch keinen Verkehr. So können wir gemütlich nebeneinander radeln und quatschen, lachen und das Leben geniessen. Mit Donji Milanovac erreichen wir nach etwas mehr als 40 Kilometer das nächste Dorf. Wir entscheiden im nahegelegenen Park etwas Essen zu kochen und uns erstmal etwas auszuruhen. Zudem gibt es auch WiFi und unsere englische Kollegen können endlich nachschauen wie ihr Heimatland gewählt hat – Brexit. Allerdings wäre es wohl besser gewesen dies nicht zu wissen…
Wir bleiben fast vier Stunden auf dem Platz, und als wir dann weiterradeln baut sich vor uns eine riesige Gewitterwand auf. Der aufziehende Sturm ist so stark dass wir schon fast wieder rückwärts fahren und zudem regnet es Äste auf uns herunter. Wir entscheiden daher umzukehren und erstmal besseres Wetter abzuwarten. Das Gewitter fällt heftiger aus als gedacht und wir sind froh in einem Café einen trockenen Platz gefunden zu haben. Schnell wird klar, dass wir heute wohl nicht mehr weiterkommen und so fragen wir beim Tourismusbüro nach einer günstigen Unterkunft.
Wir beziehen ein kleines Gästehaus für umgerechnet 9€ pro Person und richten uns sofort gemütlich ein. Durch das Unwetter ist allerdings der Strom in der ganzen Gegend ausgefallen, und so kochen wir auf unserem Gaskocher das Abendessen und schreiben die Tagebuch-Einträge im Licht der Stirnlampen. Mal etwas anderes mitten im Nirgendwo von Serbien ohne Strom mit praktisch unbekannten anderen Reisenden ein Zimmer zu teilen.
Rumänien, wir kommen!
Nachdem wir die Zimmer bezahlt haben und uns etwas Frühstück zubereitet haben, funktioniert auch plötzlich der Strom wieder. Trotzdem schwingen wir uns auf unseren Sattel, denn bis zur angepeilten Stadt sind es fast 80km. Der Weg führt durch den Djerdap Nationalpark und durch viele weitere Tunnels und bietet uns unzählige wundervolle Aussichten. Wir passieren dabei auch die engste Stelle der Donau, an welcher sie 120 Meter tief ist. Nach vielen Kilometern ist der Staudamm sichtbar, und somit wird es für uns Zeit nach Rumänien zu reisen. Für mich ist es das siebte Land seit dem Start am 21.05.16.
Die Passkontrolle verläuft weitgehend unproblematisch und zum Abschluss machen wir noch ein paar Fotos mit dem Abschiedsschild auf serbischer Seite. Die Strassen in Rumänien sind einiges besser, jedoch sind auch die vielen LKW’s wieder unterwegs, welche nur wenige Zentimeter Platz für uns frei lassen. Nach wenigen Metern sehen wir einen ausgebrannten LKW, welcher knapp neben der Strasse auf dem Dach liegt. Wie gefährlich der Strassenverkehr hier ist wird uns somit bildlich vor Augen geführt. Wir erreichen unser Tagesziel: Drobeta Turnu Severin. Hier holen wir kurz ein paar rumänische Lei auf der Bank und fahren anschliessend weiter zum nahegelegenen Campingplatz. Auf dem Weg dorthin werden wir zum ersten Mal von Hunden attackiert, können diese jedoch schnell wieder abschütteln. Der Campingplatz wäre eine super Kulisse für einen Horrorfilm, da dieser schon seit Jahren verlassen ist und auch nur teilweise fertiggestellt wurde. Im Swimmingpool hat es noch etwas Wasser, in welchem viele Frösche und andere Tiere schwimmen. Zwei bedeckte Sitzplätze eignen sich für uns gut zum Kochen und aus einem rostigen Rohr fliesst etwas Wasser zum Duschen. Wir finden zudem den Besitzer, welcher uns gratis zelten lässt. Tim und ich fahren noch kurz zur nächsten Ortschaft um Lebensmittel, Wasser und Bier einzukaufen. Die Preise in Rumänien sind unglaublich günstig und so gönnen wir uns auch noch Schoggigipfeli für den nächsten Morgen.
Campingplatz-Glückstreffer
Am nächsten Tag verlassen uns Lea und Fernand, da sie mit dem Zug nach Prag fahren und von dort aus ihre Fahrt in den Norden antreten werden. Ich fahre mit Tim und Jess weiter in östlicher Richtung durch Rumänien. Die Strasse ist wahrscheinlich die beste seit verlassen des Donauradweges in Österreich, jedoch sind auch unzählige LKW’s mit uns auf der Strasse unterweges. Nach kurzer Zeit müssen wir mehrere hundert Höhenmeter bezwingen, werden aber mit einer schönen Abfahrt gleich wieder belohnt. Die weitere Strecke bleibt nun mehr oder weniger Flach und wir wechseln uns regelmässig mit Windschatten-Fahren ab. In einer kleinen Ortschaft kochen wir unser Mittagessen, wobei uns die Dorfjugend mit frischem Wasser versorgt. Nach 65km fahren wir auf einen Campingplatz welcher sich als Glückstreffer herausstellt. Wir haben eine eigene Insel zum Zelten und eine saubere Dusche. Zudem befinden wir uns direkt neben der Donau und können somit wunderbar baden gehen. Der Besitzer gesellt sich ebenfalls noch zu uns, und so geniessen wir den lauen Sommerabend bei selbstgemachten Wein und interessanten Gesprächen über die Geschichte von Rumänien und dem Balkan allgemein. Hier werden wir erstmal einen Ruhetag einlegen, bevor es dann weiter nach Bulgarien geht, wo wir die Donau nach über 1500km verlassen werden um über die Berge nach Istanbul zu fahren.