Ich glaube alle Fahrradfahrer hassen drei Sachen am meisten…
Leider sind das genau die drei Komponenten welche die Fahrt aus Budapest ausmachen. Dabei beginnt eigentlich alles so schön. In der zum Hostel nahegelegenen Poststelle werfe ich noch kurz ein paar Postkarten ein und überquere anschliessend die Donau um auf die Euroroute 6, den Fahrradweg ans Schwarze Meer, zu kommen. Die Schlaglöcher sind zwar von Anfang an da, jedoch ist der Weg gut vom Strassenverkehr getrennt. Gemäss GPS muss ich jedoch nach ein paar Kilometer die Donau erneut überqueren und direkt nach der Brücke ist einfach kein Veloweg mehr zu sehen. Also schleuse ich mich genervt in den übervollen Verkehr ein und fahre mit tausenden Autos und LKW’s raus aus der Stadt. Dabei gilt es nun nicht nur den Schlaglöchern auszuweichen, sondern auch immer den Autos, welche gerade mal 10cm an mir vorbeirauschen, auszuweichen. Als ich endlich am Stadtrand ankomme sehe ich eine Aldi-Filiale in welcher ich mich erstmal wieder mit Lebensmitteln eindecke. Gemäss GPS befindet sich die Euroroute 6 circa 5 Kilometer rechts von mir – weit weg von der Donau. Da ich aber keine Lust auf den weiteren lebensgefährlichen Strassenverkehr habe, entscheide ich mich die 5 Kilometer Umweg zu fahren. Der Verkehr hat sich jedoch gebessert, die Schlaglöcher sind jedoch geblieben. Zudem setzt auch kurz darauf noch ein Gewitter ein welches mich trotz Regenjacke ziemlich gut durchnässt. Ansonsten verläuft die weitere Strecke relativ gemütlich, aufgrund der vielen Schlaglöcher jedoch nicht mit mehr als 15km/h. Nachdem ich 4 Nächte im sehr gemütliche Hipster Hostel verbracht hatte, will ich mal wieder wildzelten. Dies stellt sich jedoch aufgrund der topografischen Verhältnissen durchaus etwas schwieriger heraus. Es gibt riesengrosse Weizenfelder welche alle nahtlos in dichtbewachsene Waldstücke übergehen. Dazwischen bleibt kein Platz für ein Zelt oder eine Hängematte. Daher suche ich weiter und nachdem der Tacho bereits 115km anzeigt, finde ich endlich doch noch eine Wiese. Also kurz das Zelt aufstellen, Nudeln kochen und dann ab ins Bett.
In Ungarn hat glaube ich jeder Hausbesitzer 3-4 Hunde. So hören sich jedenfalls die Nächte an. Bis um ca. 4 Uhr morgens vergeht keine Minute ohne Hundegekläffe. Glücklicherweise kommt mich aber kein Hund besuchen, und so fahre ich bereits um 8 Uhr am nächsten Morgen weiter. Doch kaum erreiche ich das nahe Dorf, werde ich von einer Polizeipatrouille angehalten. Ich denke dass mich bestimmt einer der Hündeler verpfiffen hat und ich nun eine saftige Busse wegen wildzeltens bekomme. Jedoch weitgefehlt! Er zeigt nur auf einen schlaglochübersäten Betonstreifen und murmelt etwas von wegen „Bikeway“. Nochmals Glück gehabt, er will nur dass ich auf dem Betonstreifen weiterfahre! Ordnung muss sein denke ich mir und bin froh dass er nicht weiss dass ich nur 2.5km entfernt auf der Wiese übernachtet habe.
Kaum bin ich aus dem Dorf raus, setzt der Gegenwind ein. Zuerst nur ein bisschen, dann jedoch immer stärker. Ich kämpfe mich weiter und treffe auf der Strecke einen weiteren Radreisenden an, welcher von Deutschland aus zu einem kleinen ungarischen Dorf unterwegs ist da früher mal sein Ferienhaus da stand.
Der Gegenwind und auch der Strassenzustand wird immer unerträglicher, weswegen ich an einer stillgelegten Anlegestelle für Fähren eine längere Pause einlege. Hier wasche ich erstmal mich selbst, dann meine Kleider und schlussendlich auch noch mein Geschirr. Anschliessend baue ich die Hängematte auf und döse gemütlich 2h vor mich hin. Durch den starken Wind und die Sonne sind meine Kleider in Kürze trocken und kurz nach 16 Uhr fahre ich weiter bis nach Baja wo ich auf einer kleinen Insel einen Campingplatz beziehe. Die Gegend ist sehr schön und das Zentrum erinnert stark an eine westeuropäische Stadt. Zum zNacht gibt es mexikanisch und Dank 85km mit starkem Gegenwind falle anschliessend todmüde ins Bett.
Am nächsten Tag steht mal wieder eine Grenzüberquerung an – es geht von Ungarn nach Kroatien. Doch dazwischen muss ich mal wieder die Fähre über die Donau nehmen, da der Weg auf der rechten Donauseite gemäss mehreren Foren viel besser zum Fahren ist.
Gedanklich bin ich bereits auf der kroatischen Seite, als circa 2 Kilometer vor der Grenze etwas komisches schwarzes am Horizont erscheint. Als ich näher komme, sehe ich dass ein Mann ein überdimensional grosses Rad vor sich her rollt. Die komische Erscheinung am Horizont stellt sich als Shahin, ein gebürtiger Iraner heraus, welcher mit seinem Rhönrad von Deutschland in den Iran wandert – 5500km! Natürlich quatschen wir kurz übers reisen und machen ein paar Fotos, aufgrund der vielen Lastwagen fahre ich dann aber doch zügig weiter in Richtung Grenze. Ich fahre an vielen wartenden Lastwagen vorbei und muss zum ersten Mal seit Beginn meiner Reise den Pass zeigen und auch Fragen beantworten. Als ich dem Beamten erkläre dass ich nach Thailand unterwegs bin, schüttelt dieser nur den Kopf und lässt mich passieren – bin mal gespannt was er denkt wenn Shahin ein paar Minuten später an seinem Zollhäusschen auftaucht 🙂
Was mir sofort auffällt in Kroatien ist der Strassenzustand. Dieser ist viel besser und praktisch alle Schlaglöcher sind verschwunden. Auch der Wind ist wieder auf meiner Seite und so brause ich mit 30km/h über die kroatischen Strassen. Im nächsten Dorf biege ich wieder auf den offiziellen Eurovelo 6 Radweg ein und folge diesem für ca. 7km. Dann jedoch stehe ich plötzlich vor einem Zaun mit rasiermesserscharfem Stacheldraht – die Grenze zurück nach Ungarn. Zum ersten Mal sehe ich die Auswirkungen von den Flüchtlingsströmen in den Westen. Es gibt kein Durchkommen und so drehe ich um und fahre die 7km zurück zur Hauptstrasse, welche allerdings über einen Hügel führt. Den ersten Hügel seit Österreich und ich spüre seit langem mal wieder das Gewicht von meinem Gepäck. Die Temperatur von über 36 Grad hilft da auch nicht viel dabei. Schlussendlich bringe ich aber den Minipass hinter mich und so fahre ich in das nächste Dorf in welchem sich der angepeilte Campingplatz befindet. Zu meinem grossen Bedauern ist dieser aber geschlossen und so suche ich weiter. Zudem habe ich seit der Grenzüberquerung noch keinen einzigen Bankautomaten gefunden, und konnte somit noch keine kroatischen Kuna holen. Der nächste Campingplatz befindet sich über 20km entfernt und so wildzelten ist auch hier aufgrund der bewirtschafteten Felder nicht möglich. Also trete ich nochmals in die Pedalen und erreiche gegen 19:30 Uhr nach über 122km endlich den glücklicherweise geöffneten Campingplatz. Die Besitzer sind äusserst gastfreundlich und laden mich noch zu Bier, Schnaps, Pommes Frites und Fussball ein.
Als ich am nächsten Tag gehen möchte ist niemand vom Campingplatz anwesend. Auch im Büro und Wohngebäude ist niemand zu finden. So hinterlasse ich den Betrag inklusive einer Visitenkarte auf einem rumstehenden Tisch. Die Nacht war ruhiger da es in Kroatien weniger Hunde gibt, jedoch gibt es tausende von Moskitos. So starte ich die ersten Kilometer mit etwas Muskelkater vom Vortag und tausenden von Moskitostichen.
Ein Einheimischer welcher mehrere Kilometer vor mir gefahren ist, lädt mich in der nächsten Stadt noch spontan zu einem Eis und einer Stadtführung ein. Obwohl er kein Wort Deutsch oder Englisch spricht, können wir uns mit Händen und Füssen irgendwie verständigen. So starte ich kurz nach Mittag gutgelaunt zu den nächsten Kilometern nach Vukovar. Kaum habe ich mein Fahrtempo gefunden, werde ich von einem anderen Einheimischen überholt, welcher mir anbietet in seinem Windschatten zu fahren. So machen wir über 30km gemeinsam und er erzählt mir viel über sein Medizinstudium und wie es ist in Kroatien zu leben.
Vukovar selber ist dann allerdings alles andere als „schön“. In Westler ist der Anblick einer Stadt wie dieser kaum ertragbar. Vukovar war während des Kroatien Kriegs von 1991-1995 das am stärksten umkämpfte Gebiet gewesen, und die Spuren sind bis heute noch deutlich sichtbar. Auf zwei intakte Häuser folgt ein zerbombtes Haus. Besonders imposant ist der halb zerstörte Wasserturm, bei welchem die Einschlaglöcher teilweise grösser als ein Kleinwagen sind. Nach so viel Zerstörung bin ich froh aus der Stadt rauszukommen und wieder über die endlosen Felder zu fahren. Nun beginnt allerdings ein geländetechnisch etwas anstrengenderen Teil. Denn jedes Dorf liegt in einer kleinen Schlucht, weswegen man vor jedem Dorf eine rasende Abfahrt hat, jedoch anschliessend wieder die ganzen Höhenmeter rauffahren muss. Nach den vier Dörfern Sotin, Opatovac, Mohovo und Sarengrad, treffe ich in der letzten kroatischen Ortschaft Ilok ein. Da ich keine Lust mehr auf Moskitos habe, und die Übernachtungen im allgemeinen sehr günstig sind, halte ich Ausschau nach einer Pension. Tatsächlich finde ich eine und für umgerechnet 26€ erhalte ich ein Einzelzimmer mit Abendessen und Frühstück. Der Besitzer floh während des Krieges nach Deutschland und so geniesse ich es mal wieder Deutsch sprechen zu können.
Nach einer sehr erholsamen Nacht ohne Moskitos steht mal wieder eine Grenzüberquerung an. Nun geht es über die fast 700 Meter lange Brücke auf die andere Donauseite hinein nach Serbien. Vorher gibt mir der Besitzer der Pension jedoch noch eine Adresse bei welcher ich die kroatischen Kuna in serbische Dinar umtauschen kann – in Serbien nimmt aus Prinzip niemand die kroatische Währung an. Der Grenzübertritt verläuft problemlos (diesmal sogar mit Stempel) und an der angegebenen Adresse erhalte ich auch tatsächlich Dinar – wenn auch zu einem etwas schlechteren Umrechnungskurs.
Die Strassen werden wieder schlechter und auch einen offiziellen Radweg gibt es nicht mehr. Dieser wird nun über eine vielbefahrene Strasse geführt und daher darf ich wieder ganz viele Nahtod-Erlebnisse haben. Kurz vor Novi Sad, das Tagesziel, ruft mir eine Frau aus einem Café ein „Salü“ hinterher. In Serbien sagen sie ganz bestimmt nicht Salü und so drehe ich um, um mir das ganze mal etwas genauer anzusehen. Vor dem Café stehen zwei vollbepackte Reiseräder, an welche allerdings einen Trailer sowie ein Kinderrad befestigt sind. Nach einem kurzen Gespräch stellt sich dann heraus, dass sie eine 5-köpfige Familie sind, welche von Frankreich ans Schwarze Meer fahren. Das älteste Kind fährt dabei selber mit ihrem Fahrrad! Die Familie ha über Warmshowers Daniel kennengelernt und verbringen die folgende Nacht in seinem Haus, ca. 15km ausserhalb von Novi Sad. Daniel meint dass er noch ein Bett frei hat und ich gerne auch bei ihm Zuhause übernachten kann. Zudem ist der Weg von Novi Sad nach Belgrad in jeglicher Hinsicht schrecklich und die anderen fahren alle mit dem Zug. So könnten wir am nächsten Tag alle zusammen zum Bahnhof gehen.
Sounds like a good plan! Also kurz das Bett im Hostel stornieren, Bier fertig trinken und ab geht’s zu Daniel. Wir verbringen einen gemütlichen Nachmittag zusammen, schauen das Dorf an sowie eine traditionelle Tanzveranstaltung für Kinder und kochen dann Abends zusammen. Wir sind wie eine grosse Familie und das Reisen zusammen mit der Familie gefällt mir sehr. Die Fahrräder haben wir im Hof von Daniel verstaut und die 4 Hunde bewachen diese sehr gut – liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass in meinen Packtaschen noch Würstchen sind 😉
Am nächsten Tag fahren wir alle zusammen nach Novi Sad zum Bahnhof. Mit Daniels Hilfe kaufen wir uns am Bahnschalter die nötigen Tickets – wobei wir bewusst nur ein Ticket für alle 5 Fahrräder kaufen. Gemäss Daniel sollen wir dann bei der Kontrolle einfach so tun als würden wir nichts verstehen und nicht mehr als 150 Dinar nachzahlen. So können wir uns 2€ sparen…
5 Reiseräder inklusive Gepäck in einen Zug zu verladen ist alles andere als leicht. Nur schon der Weg aufs Perron ist ein kleines Abenteuer. Durch ein halbverschlossenes Tor kommen wir in einen stockdunklen Tunnel, von welchem dann nach ein paar Metern eine Rampe hoch zum Perron führt. Um die Räder im Zug verstauen zu können, müssen wir teilweise die Packtaschen abmachen sowie natürlich auch den Trailer abhängen. Drei Bahnschaffner diskutieren dabei mit Daniel wie wir die Räder am besten verstauen sollen. Nach 10 Minuten ist alles im Zug und wir sind bereit für die Abfahrt nach Belgrad. Der Zug benötigt für die knappe 100km über 1.5h, und so ruckeln wir gemütlich nach Belgrad. Die Kids vertreiben sich die Zeit indem Sie auf meinem Smartphone spielen und auf mir rumturnen. Was aber durchaus lustig ist 🙂
In Belgrad angekommen müssen wir erstmal wieder alles an unsere Fahrräder montieren und uns einen Weg aus der Masse auf den Bahnhofsvorplatz schaffen. Glücklicherweise gibt es keine Treppen. Das Appartement der Familie liegt ca. 1.5km vom Bahnhof entfernt und da ich ein GPS habe, begleite ich sie noch bis dorthin. Eine 5-köpfige Familie sicher durch den Belgrader Feierabendverkehr zu bringen, ist allerdings mehr als nur eine kleine Herausforderung. Aber schlussendlich haben wir alle unser Ziel erreicht und ich geniesse noch den Abend mit der Cousine einer ehemaligen Mitarbeiterin. Sie zeigt mir die Festung und weitere Sehenswürdigkeiten und bei einem Bier lassen wir den mal wieder sehr ereignisreichen Tag ausklingen.
Nach einem Ruhetag geht es dann am Mittwoch weiter nach Rumänien. Dabei passiere ich unter anderem das berühmte eiserne Tor, bei welchem die Donau sich durch eine Bergkette zwängt und zwischen Berg und Donau nur wenige Meter Platz für die Strasse bleibt. Es bleibt also bestimmt spannend!
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