Die Nachtfahrt war schon ein ziemliches Abenteuer, doch das Hostel in Bratislava ist ebenfalls eines. Das beginnt mit einer Türe die nur geöffnet werden kann wenn man sie aushängt und endet mit einem Lift, welcher nur ungefähr auf Stockwerk-Ebene anhält. Manchmal beträgt der Unterschied ganze 30cm! Aber was soll’s, schliesslich mache ich unter anderem genau wegen solchen Sachen dieses Abenteuer.
Bratislava hat eine sehr schöne Altstadt, weswegen ich die meiste Zeit in dieser verbringe. Man fühlt sich teilweise schon fast ein bisschen wie in Italien, da die Gebäude sehr an einen südlichen Baustil erinnern. Auch das Schloss auf dem Berg habe ich natürlich noch besichtigt. Nach zwei Tagen Aufenthalt war ich dann aber doch froh, endlich wieder Chocolate zu beladen und weiterzufahren.
Über die Radwege in der Slowakei habe ich viele Story’s gehört, jedoch kann ich diese alle nicht bestätigen… zumindest nicht am Anfang. Ich fahre auf dem mit Abstand schönsten Fahrradweg seit dem Start der Reise. Es gibt eine neu asphaltierte zweispurige Strasse, welche nur für Radfahrer geöffnet ist! Dies liegt allerdings auch daran, dass es sich bei der Strasse um eine Versorgungsstrecke vom sehr umstrittenen Kraftwerk Gabčíkovo handelt. Wahrscheinlich zeigt die Slowakei mir erst nach dem Damm sein wahres Radfahrer-Gesicht. Vorerst geniesse ich aber die perfekten Strasse und fahre mit einem sehr guten Schnitt von 27km/h dahin. In Bratislava habe ich noch meine zwei 1.5l Flaschen aufgefüllt, allerdings merke ich erst unterwegs dass das Wasser absolut untrinkbar ist. Also muss schnell Ersatz her, denn schliesslich ist es über 30 Grad heiss. Dummerweise kommt einfach kein Shop oder ein Cafè/ Bistro oder so. Ich fühle mich schon wie ein Dörrgemüse, als endlich am Horizont der Damm in Sichtweite kommt – oder ist es doch nur eine Fatamorgana? In der Hoffung auf dem Damm einen Shop zu finden, erhöhe ich noch mein Tempo. Und ich habe Glück! In einem kleinen Shop kann ich endlich etwas zu trinken kaufen, auch wenn die Kommunikation nur mit Händen und Füssen klappt. So habe ich schlussendlich nicht ein normales Wasser in der Hand, sondern Wasser mit Kohlensäure und Fruchtgeschmack. Aber mir ist es egal, denn schliesslich war dies der erste Shop nach über 50km!
Gestärkt fahre ich weiter der Donau entlang und siehe da, der Weg wird aprupt schlechter. Teilweise sogar so schlecht, dass ich das Fahrrad schieben muss. Chocolate sinkt mit fast 50kg Gepäck bei losem Kies einfach zu tief ein um weiterfahren zu können. Das Wetter hat sich zudem auch geändert und vor mir braut sich eine grosse Gewitterwolke zusammen. Daher entscheide ich mich den Donauradweg zu verlassen und auf einer normalen Strasse zur nächsten Ortschaft zu fahren.
Slowakische Gastfreundschaft
Auf dem Tacho stehen auch schon wieder über 100km und es ist schon fast 18:00 Uhr weswegen ich nach einer Unterkunft Ausschau halte. Der nächste Ort ist mit knapp 200 Einwohnern allerdings ziemlich klein und die Chance eine Unterkunft zu finden somit ebenfalls auch. Doch das Glück ist auf meiner Seite und so entdecke ich ein kleines Gebäude mit der Aufschrift «Penzion». Doch mein Glück scheint schon wieder vorbei zu sein – es ist geschlossen! So suche ich auf dem GPS nach weiteren Möglichkeiten und möchte gerade losfahren zum nächstgelegenen Campingplatz, als ein Auto neben mir hält. Es ist die Besitzerin, welche nur kurz etwas einkaufen gegangen ist. Sie öffnet mir die Tür und zeigt mir die Zimmer. Das Einzelzimmer mit Bad und TV kostet für eine Nacht gerade mal 10€! Obwohl alles geschlossen ist, kocht sie sogar noch extra für mich ein typisch slowakisches Abendessen. Ihr Mann setzt sich ebenfalls noch zu mir an den Tisch, und so trinken wir erst mal einen selbstgebrannten Schnaps. Seine Frau war früher Englischlehrerin, weswegen ich mich sehr gut mit ihr unterhalten kann, er spricht allerdings nur ein paar wenige Worte Deutsch. Doch es reicht, um ein gutes Gespräch zu haben und den Abend zusammen zu geniessen – wir drei ganz alleine in einer offiziell geschlossenen Penzion (übrigens kein Rechtschreibefehler, sondern slowakisch ;-))
Am nächsten Morgen erhalte ich noch ein riesengrosses Frühstück bestehenden aus diversen slowakischen Würsten, Tomaten und Zwiebeln aus dem eigenen Garten, diverses Brot und vielem mehr. Auch wird mir bereits schon wieder Schnaps angeboten, welche ich aber aufgrund der Uhrzeit dankend ablehne. Der Sohn der Familie kommt ebenfalls noch auf Besuch und stolz werde ich ihm vorgestellt. Anschliessend gehen wir in den Weinkeller, in welchem der selbstgemachte und mehrfach prämierte Wein gelagert wird. Der Keller entpuppt sich als ein weiteres Lokal in welchem locker 150 Leute Platz finden. In einem zusätzlichen Raum sind die Fässer gelagert. Alexander zapft direkt aus dem Fass, und so beginnen wir morgens um 09.00 Uhr mit der Weindegustation. Probiert wird aus jedem Fass, und es sind viele Fässer! Anschliessend gibt es dann auch noch vom selbstgebrannten Schnaps. Anschliessend fahren wir mit den Fahrrädern raus aufs Feld zu den Weinreben. Auf dem Weg dorthin werden wir von zahlreichen Einheimischen gegrüsst. Die Familie pflanzt praktisch alles was benötigt wird selber an. Und so kosten wir alles was bereits Reif ist. In einer kleinen Hütte ist hinter einer Wand der Stammbaum von der Familie versteckt. Alexander erklärt mir mit Händen und Füssen stolz die Geschichte von seiner Familie. Nach einem weiteren Schnaps geht es dann zurück zur Penzion wo ich Chocolate wieder belade. Die Schlussrechnung beläuft sich dann auf gerade mal 22€ – ich gebe natürlich noch etwas mehr und erhalten noch einen halben Liter vom Hauswein, abgefüllt in eine normale PET-Flasche. Nach einem letzten gemeinsamen Foto mache ich mich auf den Weg in Richtung Eszergom in Ungarn.
Esztergom
Es ist bereits Mittag und das Wetter wurde wieder einiges schlechter. Bereits nach etwas mehr als 10km setzt Regen ein, verschwindet aber glücklicherweise auch gleich wieder. Der Fahrradweg ist wieder besser geworden, hat allerdings zahlreiche Schlaglöcher. Trotzdem geht es relativ zügig voran und kurz vor 17:00 Uhr erreiche ich Esztergom. Der Campingplatz kostet pro Nacht 3000.-…. allerdings Forint und nicht Euro, da sich die Ortschaft in Ungarn befindet. Das wären dann umgerechnet ziemlich genau 10€. An die neue Währung muss ich mich nun gewöhnen, denn die nächsten Tagen werde ich in Ungarn bleiben.
Gleichzeitig mit mir kommt auch eine ungarische Schulklasse auf dem Campingplatz an, welche auf Schulreise sind. Die Lehrerin möchte gerne dass ich einen kleinen Vortrag vor der Klasse halte, verwirft dann allerdings das ganze wieder da ich kein ungarisch spreche und ihre Schüler kein Englisch oder Deutsch verstehen. Darüber bin ich auch nicht so unglücklich, denn schliesslich beginnt heute die EM und ich möchte eigentlich gerne das Eröffnungsspiel sehen 😉
Grossstadtjungle Budapest
Am nächsten Tag geht es dann endlich nach Budapest. Der Anfang vom Fahrradweg ist allerdings alles andere als ein Zuckerschlecken. Zuerst hat es Schlaglöcher welche so gross wie Baugruben sind und anschliessend geht auf einer vielbefahrenen Strasse weiter. Der Verkehr ist die Hölle und ich muss mehr als nur einmal in den Strassengraben ausweichen – dabei handelt es sich um den offiziellen Donauradweg… Als endlich die Abzweigung auf eine ruhigere Strasse kommt, habe ich bereits dutzende Nahtoderfahrungen hinter mir. Die Strasse endet allerdings in der Donau. Ab hier geht es nur noch mit der Fähre weiter. Für umgerechnet 1.50€ fahre ich auf die andere Seite wo dann auch der Radweg wieder einiges besser wird. Im stärksten Sommergewitter erreiche ich die Ortstafel von Budapest und muss mich unter dem Vordach vom Aldi erstmal regenfest machen. Einen guten Radweg in die Stadt finde ich nicht, weswegen es auch hier wieder zahlreiche Nahtoderlebnisse gibt. Völlig durchnässt erreiche ich aber das in Esztergom gebuchte «Hipster Hostel», welches eher wie eine grosse WG ist als wie ein Hostel. Da es nur über drei Zimmer verfügt, lerne ich innert wenigen Minuten alle Gäste kennen. Anschliessend gehen wir zusammen zur Ausgangsmeile in der Kazinczy Strasse und geniessen das Budapester Nachtleben und die zahlreichen Ruin Pubs.
Die nächsten Tage verbringe ich mit Sightseeing sowie meinen neuen «Mitbewohnern». Am nächsten Tag checkt ein 70-jähriger Amerikaner ein, welcher bereits mein «Bettnachbar» in einem Dormitory in Bratislava war! Die Welt ist schon ziemlich klein 🙂
Meine Campingausrüstung habe ich zudem noch mit einer Hängematte erweitert, womit bei schönem Wetter nun nicht mehr ein Zelt aufgestellt werden muss. Ich geniesse Budapest nun noch bis Mittwoch und nachher geht es weiter der Donau entlang nach Belgrad!
szép napot!
[envira-gallery id=»386″]