Wie beginnt man den ersten Bericht von einer mehrjährigen Weltreise? Am besten einfach so:
Am 21.05.2015 um ca. 10:40 Uhr bin ich bei schönstem und sonnigsten Wetter zu meinem grössten Abenteuer aufgebrochen. Die Verabschiedung fiel mir überhaupt nicht leicht, auch wenn es vielleicht nicht so ausgesehen hat. Einfach alles was man lieb hat hinter sich zu lassen, ist gar nicht leicht. Aber nicht zu reisen ist ebenfalls nicht leicht. Vielen Dank an alle, welche an diesem Tag vorbeikamen und mir zuwinkten! Ich werde euch wahnsinnig vermissen!!
Die ersten Pedalenumdrehungen gingen relativ leicht vonstatten – lag wahrscheinlich auch daran dass es etwas abwärts ging. Doch nach kurzem führte der die Strasse auf den Fahrradweg, und bereits bei flachen Stücken spüre ich das Gepäck. Es sind immerhin fast 60kg inkl. Fahrrad. Unglaublich, dass ich mich bereits jetzt auf der Strasse befinde welche mich bis in den Iran bringen soll.
Nach den ersten 8 Kilometern erreichen wir (ich werde noch von meinem Onkel Thomas bis nach Altenrhein begleitet) St. Gallen. Hier steht eine weitere Verabschiedung von einem Kollege an. Anschliessend geht es auf den schönen Ostschweizern Radwegen nach runter nach Rorschach. Das Projekt i’m out! ist nun das erste mal an einem See angelangt. Weiter geht’s am Seeufer bis nach Altenrhein, wo wir zwei Kollegen auf dem Campingplatz besuchen gehen. Nach einer kurzen Stärkung fahren wir weiter und kurz darauf trennen sich unsere Wege bereits. Thomas fährt weiter in das Rheintal und ich zweige links in Richtung Bregenz ab.
Der Grenzübergang ist wie erwartet absolut problemlos – so problemlos, dass ich erst anhand der Strassenschilder bemerke, dass ich bereits in Österreich bin. Das sonnige Wetter treibt zahlreiche andere Radfahrer auf die Wege und so ist die Strecke eher ein Slalom anstatt eine gerade Strecke. Mit meinem «Übergepäck» falle ich ziemlich auf, werde jedoch nur selten darauf angesprochen. Wenn ich dann jeweils als Zieldestination Thailand sage, ernte ich meistens ein Kopfschütteln und anschliessend eine Aussage wie «nicht dein Ernst», oder «du bist verrückt».
Nach wenigen Kilometern erreiche ich Bregenz mit der wunderschönen Seebühne. Da es jedoch nur so von Touristen wimmelt, mache ich mich schnell weiter in Richtung Lindau. Auch der Grenzübergang nach Deutschland ist absolut problemlos. Mein GPS navigiert mich sogar nochmals kurz nach Österreich rein, nur um anschliessend ein paar Kilometer später nochmals nach Deutschland zu kommen. In Europa kein Problem, doch bei anderen Grenzübergängen könnte es durchaus kompliziert werden 😉
Kurz nach Lindau ist es dann auch schon vorbei mit der flachen Strecke – und es soll noch eine Weile so bleiben… Hügel um Hügel kämpfe ich mich weiter nach oben. Auf dem Tacho stehen kurz nach 14:00 Uhr 45km und bis zum angepeilten Campingplatz fehlen somit noch ganze 50km. Wegen der vielen Hügel komme ich nur schleppend voran und ich stelle mich langsam aber sicher auf wildzelten ein. Da ich noch gar keinen Proviant habe, fahre ich den nächsten Discounter an (an alle ehemaligen Mitarbeiter: einen ALDI gab es leider gerade nicht in der Nähe). Da der Kocher mit Benzin läuft, mache ich auch noch einen kurzen Stopp bei einer Tankstelle. Schon mal für 40 Cent getankt?
Mit zusätzlichen ca. 5kg Gepäck geht es weiter in die Hügeln, wobei mir auffällt, dass es nur noch ca. 12km bis zum Campingplatz sind. Meine Beine sind allerdings so schlaff, dass ich es schlicht nicht mehr bis dahin schaffe. Um ca. 19:00 Uhr finde ich einen relativ abgelegenen Waldrand mit einer wunderbaren Aussicht, und entschliesse dort zu bleiben. Der Tacho bleibt bei 92km stehen.
Das Zelt steht im nu, und auch das Essen kocht bereits wenige Minuten später. Mit Chilli con Carne und einem Dosenbier geniesse ich den Sonnenuntergang und die Aussicht auf den Bodensee und die Schweiz 🙂
Die Nacht verläuft ruhig, obwohl mitten in der Nacht noch ein Fahrzeug mit Blaulicht zum Hof um die Ecke fährt. Ich befürchte kurz dass ich demnächst Besuch von der Polizei erhalte, es kommt allerdings niemand vorbei. Am nächsten Morgen spüre ich die Kilometer vom Vortag in den Beinen, fahre jedoch tapfer weiter. Auch an diesem Tag stehen wieder viele Hügel auf dem Programm, weswegen ich erstmal an einer Bushaltestelle ein Frühstück zu mir nehme. Weswegen sonst schleppe ich eine Kaffeemaschine und Toaster mit?
Mit Kempten erreiche ich nach ca. 25km die nächstgrössere Stadt und fahre aber direkt weiter nach Marktoberdorf. Dort muss ich erst mal ein fettiges Essen zu mir nehmen, weswegen ich im McDonalds lande.
Bei 27 Grad velofahren schwitzt man auch entsprechend, und daher möchte ich nicht nochmals wildzelten. Dank WLAN von McDonalds finde ich einen wunderschönen Campingplatz am Lechstausee Urspring – also nochmals weitere ca. 25km. Mit guter Musik geht es auf einem relativ flachen Stück bis dorthin. Der Tacho bleibt an diesem Tag bei 91km stehen.
Kurz Zelt aufstellen, Nachbarn kennenlernen und dann ab unter die Dusche! Am Himmel ziehen bereits die ersten Vorboten für den nächsten Tag auf, und so gehe ich auch an diesem Tag früh ins Bett. In der Nacht windet es dann bereits ziemlich heftig, Regen bleibt glücklicherweise aber aus.
Am nächsten Morgen kann ich das noch trockene Zelt abbrechen und fahre los. Nach weniger als 200 Meter kommen die ersten Regentropfen. Als erstes Ziel steht Peiting auf dem Programm. Auf der kompletten Strecke regnet es durch. In Peiting angekommen gehe ich erstmal Kaffee trinken bei Rewe. An solchen Tagen müssen unbedingt mehr Pausen eingeplant werden – ansonste hat man Kiemen bis zum Abend 😉
Auch das GPS hat heute Regenwetter, und so stellt es aufgrund leerer Batterien kurz vor Peiting ab. So hole ich mir im Touristenbüro kurz eine Fahrradkarte. Natürlich die komplett ungenaue, welche aber dafür gratis ist. Dies sollte mir kurze Zeit später zum Verhängnis werden. Gemäss Auskunft soll ich bis zu einer grossen Fabrik fahren, und dort auf den Ammer-Amper Fahrradweg einbiegen. Den Weg habe ich schnell gefunden, und so folge ich diesem über 9km bis zur nächsten Ortschaft. Mit grossem Schrecken stelle ich dann aber fest, dass ich die ganze Zeit in die falsche Richtung gefahren bin. Also wieder umkehren und die ganzen 9km zurückfahren… hab ich übrigens schon erwähnt dass es nonstop regnet?
Nachdem ich endlich richtig fahre, wird der Weg richtig besch*****. Von Asphalt geht es zum Kiesweg und vom Kiesweg zum Singletrail. Eigentlich fahre ich solche Strecken mit dem Mountainbike ja sehr gerne – aber nicht mit einem 60kg schweren Tourenrad. Nun ja, dies ist somit gleich die erste Prüfung an den Rahmen.
Da es keine Hügel mehr hat, fällt Kilometer um Kilometer. Schon bald stehe ich am Ammersee und folge dessen Küste bis nach Schondorf. Dort ruft mir doch tatsächlich einer ein «Grüezi» zu, weswegen ich anhalte. Er meint dann dass ich in seinem Restaurant einkehren soll, da man dort angeblich so gut isst – sein Dialekt war allerdings anschliessend bayrisch. Selber schuld wenn man einer Schweizer Fahne am Rad hat 😉
So mache ich mich nach einem Kaffee (nein, ich habe dort nichts gegessen) weiter auf die letzten Kilometer nach Türkenfeld. Dort gibt es einen S-Bahn-Anschluss, welche ich für die restlichen Kilometer nach München nehmen möchte.
Um ca. 19:00 Uhr fahre ich in den Hauptbahnhof München ein. Es erwartet mich ein riesiges Chaos, da die Polizei eine Hauptverkehrsachse gesperrt hat und nun alle am HB gestrandet sind. Was für ein Willkommensgeschenk!
Nach längerer Suche beziehe ich ein 12er Dorm unweit vom Bahnhof. Dass ich mit einem völlig verdreckten Rad ankomme stört das Hostel glücklicherweise nicht. Und so heisst es erst mal Kleider trocknen, duschen und ab an die Bar.
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